Bei der CO2-Prämie beziehungsweise -Steuer ist es ganz leicht. Der Staat setzt einen Preis fest und sagt zum Beispiel, dass eine Firma, die CO2 emittiert, pro Tonne 100 Euro zahlen muss. So kommt dann übers Jahr gerechnet ein hoher Geldbetrag zusammen. Dieser kann verwendet werden zum einen für sinnvolle Klimainvestitionen, aber auch – und das ist ein ganz wesentliches Element bei der CO2-Prämie: ein Großteil dieses Geldes sollte auch wieder ausgeschüttet werden an alle Einwohner_innen, genau gleich verteilt. Jeder Einwohner Deutschlands bekommt denselben Anteil an der CO2-Prämie.
Und das hätte dann den Effekt, dass die Menschen, die momentan wenig zum Klimawandel beitragen, wie zum Beispiel ärmere Menschen, weil sie nicht zweimal pro Woche beruflich irgendwohin reisen mit dem Flugzeug, – dass diese Menschen mehr Geld zur Verfügung haben als vorher. Dagegen haben die Menschen, die das Klima viel schädigen, durch ihre Arbeit oder durch ihr Vergnügen, dass die am Ende weniger Geld zur Verfügung haben. Jeder bekommt also gleich viel Prämie zurück, aber arme Leute zahlen weniger CO2-Steuer, weil sie weniger CO2-behaftete Produkte konsumieren, und die reicheren Leute zahlen mehr CO2-Steuer, weil sie mehr konsumieren.
Die Alternative ist der Zertifikatehandel. Der ist eigentlich sehr elegant, aus theoretischer Sicht viel besser, er scheitert in der Praxis an gewissen Dingen aus Sicht von Fridays for Future. Die Scientists for Future haben eine etwas gemäßigtere Meinung. Sie sagen: beide Modelle sind fähig, den Klimawandel aufzuhalten, wenn man sie gut umsetzt.
Ich erkläre jetzt mal den Zertifikatehandel. Das geht so: Der Staat beziehungsweise die EU legen fest, wie viel Tonnen CO2 in diesem Jahr emittiert werden dürfen. Die EU setzt keinen Preis für die Tonne fest, sie setzt eine Obergrenze in Tonnen CO2 fest. Und nur so viel darf emittiert werden. Die Firmen können in einer Auktion das Recht ersteigern, soundsoviel CO2 zu emittieren.
Peter: Und dafür müssen sie dann zahlen?
Ingo: Genau. Wie viel sie dann zahlen, ist nicht vorab kalkulierbar, sondern das hängt eben davon ab, wie sich die Firmen gegenseitig überbieten, wie wichtig ihnen das CO2 ist.
Peter: Also ist es ein Marktpreis
Ingo: Das ist dann ein Marktpreis, der sich dann einstellt – genau. Der Zertifikatehandel hat den deutlichen Vorteil, dass völlig klar ist, was die Gesamtmenge an CO2 ist, die in diesem Jahr emittiert werden würde. Nämlich nur so viel, wie Zertifikate ausgegeben werden. Das macht die theoretische Seite sehr elegant.
Peter: Ja, funktioniert das auch?
Ingo: Es funktioniert nicht. Denn es gibt zu viele Schlupflöcher, sodass Firmen CO2 emittieren können, obwohl sie nicht die nötigen Zertifikate haben.
Peter: Und die Bewertung, das ist ja gigantisch
Ingo: Genau, ganz richtig, das ist ein weiterer Punkt. Also Schlupflöcher, die Bewertung, dann auch, dass es einfach viel zu viele Zertifikate gibt. Und es ist auch schwierig für die Firmen, für ihre Planung, weil sie eben nicht wissen: pro Tonne CO2 muss ich 100 Euro zahlen, sondern pro Tonne CO2 muss ich je nachdem zahlen, was sich bei der nächsten Versteigerung herauskristallisiert. Das ist schwieriger planbar, es könnte mal mehr sein, mal weniger. Es ist kompliziert und es hat nicht diesen Gerechtigkeitsaspekt, dass die Menschen, die weniger zum Klimawandel beitragen, auch weniger zur Kasse gebeten werden.
Peter: Nur eine Nachfrage. Diese Versteigerung, ist das die Gelegenheit, wo Firmen dann Zertifikate kaufen?
Ingo: Genau
Peter: Die Versteigerung wird dann organisiert und die Firmen können Zertifikate erwerben, sonst könnten sie gar nicht produzieren.
Ingo: Genau.
Peter: Sonst dürften sie kein CO2 ausstoßen. Die Berechtigung dafür müssen sie quasi vorher erwerben.
Ingo: Genau. So ist es gedacht.
Peter: In dem Papier der Wissenschaftler war doch die Rede davon, dass die Zertifizierung auf EU-Ebene in bestimmten Bereichen bereits läuft
"Das ist natürlich besonders paradox"Ingo: Momentan umfasst der EU-Zertifikatehandel gar nicht den Wärme- und Verkehrssektor, obwohl das sehr wichtige Sektoren sind. Gerade der Wärmesektor ist auch sehr, sehr wichtig. Und außerdem können Firmen Ausnahmen beantragen, dass sie nicht Teil des Zertifikatehandels sind – wenn sie groß genug sind. Und das ist natürlich besonders paradox, weil die kleineren Firmen, die weniger zum Klimawandel beitragen, geschröpft werden. Und die großen Firmen, die viel zum Klimawandel beitragen, die beantragen eine Ausnahme – das läuft völlig schief.
Ein weiteres Problem beim Zertifikatehandel ist, dass er rechtstechnisch viel schwieriger in der Umsetzung ist. Weil, eine Steuer kann der Staat nach Belieben festsetzen und es gibt auch schon viele andere Steuern, das heißt, es ist klar wie die Gesetze auszusehen haben. Aber so ein Zertifikatehandel muss dann abgestimmt werden mit anderen Ländern und das ist ein längerer Prozess. Während wir aber jetzt sofort eine effiziente Bepreisung brauchen – nicht etwa so in fünf Jahren eine Aussicht darauf.
Daher wäre der dringende Vorschlag von Fridays for Future, dass man jetzt mal mit einer CO2-Steuer anfängt, mit einer deutlichen, die man auch spürt. Und die sozial gerecht ist, das heißt die Erlöse aus dieser Steuer werden auf alle Einwohner Deutschlands gleichmäßig ausgeschüttet, sodass die ärmeren Menschen am Schluss mehr Geld auf dem Konto haben als vorher. Und wenn dann die Länder noch wollen, können Sie gerne im Laufe der nächsten fünf Jahre an einem guten Zertifikathandelssystem arbeiten und sich immer wieder zu Konferenzen treffen und das Schritt für Schritt austüfteln. Das sollen Sie gerne machen, aber jetzt erst mal ganz dringend eine CO2-Bepreisungssteuer.
Peter: Das heißt, Ihr geht von dieser Ad-hoc-Stellungnahme eigentlich ab, weil die den Zertifikatehandel zum Schwerpunkt macht. Und die Autoren quasi so tun, wie wenn der CO2-Preis alles regelt.
Ingo: Also, ich würde den Zertifikatehandel auch nicht so schlecht machen, wenn man ihn gut umsetzt, was überhaupt nicht erkennbar ist in der derzeitigen Politik. Dann wäre das schon auch eine Alternative, aber es ist viel schwieriger, den Zertifikatehandel gut umzusetzen. Und es gibt ihn halt schon, und die Erfahrung hat schon gezeigt, wie schlecht er umgesetzt wurde. Deswegen haben wir da weniger Zutrauen – einfach auch, weil es länger dauert, ihn zu etablieren.
Peter: Gut, das war jetzt schon ein wichtiger Punkt. Denn mein Hauptanliegen ist: Welche Perspektiven seht ihr nach dieser Katastrophe mit dem Bundestags- und Bundesratsbeschluss? Was seht ihr jetzt noch für Handlungsspielräume, lokal, regional, bundesweit und EU-weit? Weil sonst können wir ja gleich aufgeben.
Ingo: Nein, das tun wir natürlich nicht.
"Günstigere Trams und Busse und ein sicherer, besser ausgebauter Fahrradverkehr"Peter: Also regional hat sich eigentlich nicht viel verändert durch den schwarzen Tag am Freitag. Das heißt, wir setzen uns weiterhin ein für eine Mobilitätswende, dass der Nahverkehr viel günstiger wird. Also günstigere Trams und Busse und ein sicherer, besser ausgebauter Fahrradverkehr. Dies würde den Verkehrssektor deutlich entschlacken, was CO2 angeht und dies macht sehr viel aus. Ansonsten müssen Neubauten von Gebäuden energetisch effizienter werden und auch die Wärmeversorgung. An diesen Zielen hat sich eigentlich nicht viel geändert. Was wir jetzt neu fordern, ist, dass sich die Städte positionieren. Konkret fordern wir von der Stadt Augsburg, dass sie sich öffentlich und klar gegen das Kohleeinstiegsgesetz positioniert.
Ingo: Reiner Erben, hier in Augsburg der Umweltreferent, teilte uns schon mit, dass die Stadt das schon gemacht hat, aber im folgenden schwachen Sinn: Vor ein paar Tagen hat die Stadt einen Klimaschutzbericht veröffentlicht und dort steht irgendwo klein drin, dass mit dem derzeitigen Verhalten des Bundes in der Klimapolitik die Klimaschutzziele Augsburgs nicht zu halten seien. Nebenbei bemerkt, die Klimaschutzziele Augsburgs sind so dermaßen schwach, dass, selbst wenn die Stadt diese CO2-Ziele erfüllen würde, die Pariser Klimaziele gar nicht eingehalten würden beziehungsweise Augsburgs Anteil am Pariser Klimaabkommen nicht erfüllt würde. Aber das nur nebenbei bemerkt.
Jedenfalls, sowas steht schon klein gedruckt im Klimaschutzbericht der Stadt drin. Aber was wir uns wünschen würden, wäre wirklich, dass in der Augsburger Allgemeinen Zeitung auf Seite 1 groß steht: Oberbürgermeisterin Weber fordert vom Bund eine Rücknahme des Kohleeinstiegsgesetzes. Das wäre ein deutliches Signal und wir glauben, dass dann auch andere Städte mitziehen würden. Und dann würde eine Debatte entbrennen, wie es denn sein könne, dass der Bundesrat als Ländervertretung noch am selben Tag dem Kohleeinstiegsgesetz zugestimmt hat.
Peter: Ja wollt ihr dann das Gesetz wieder umschmeißen?
Ingo: Ja, das Gesetz muss zurückgenommen werden und durch ein Gesetz ersetzt werden, was geeignet ist, den deutschen Anteil am Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.
Peter: Das ist natürlich auch eine komische Situation, zumindest für mich als Laien. Fridays for Future strebt deswegen eine Verfassungsklage an. Denn wir haben momentan zwei Gesetze, nämlich einmal das Pariser Klimaabkommen und dann das Kohleeinstiegsgesetz. Und das Kohleeinstiegsgesetz macht aber die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens – wenn man es realistisch sieht – unmöglich. Wie kann es sein, dass es zwei Gesetze gibt, die sich widersprechen? Es gibt, glaube ich, eine Erklärung: Das Pariser Klimaschutzabkommen ist zwar ein verbindliches Abkommen, das unterzeichnet wurde. Aber da steht jetzt nicht drin, dass auf jeden Fall die Erwärmung auf 1,5° beschränkt werden soll, sondern nur, dass alles getan werden soll, damit dies passiert. Das ist eine schwächere Formulierung. Vielleicht ist das schon der juristische Ausweg, wie es sein kann, dass wir zwei sich widersprechende Gesetze momentan haben. Fridays for Future strebt auf jeden Fall eine Verfassungsklage an.
"Als Klimaschutz noch nicht in den Köpfen war"Peter: Eine Verfassungsklage, weil den Pariser Klimazielen nicht entsprochen wird?
Ingo: Genau. Außerdem geht es um den Art. 20 a des Grundgesetzes (
27 ). Das ist ein ganz alter Artikel natürlich, als Klimaschutz noch nicht in den Köpfen war. Aber da steht auch sowas drin wie: Der Staat fordert gegenüber den Menschen und den Tieren die Erhaltung der Umwelt. Irgendwie sowas, und das ist halt nicht gegeben beim Kohleeinstiegsgesetz.
Peter: War nicht schon dieser sogenannte Kompromiss von der Kohlekommission der Anfang vom Übel? Die Vertreter der Umweltverbände in dieser Kommission sind doch dann fast ausnahmslos umgekippt.
Ingo: Genau, schon dieser Kohlekompromiss, der da geschlossen wurde, ist kein echter Kompromiss. Denn das Pariser Klimaschutzabkommen wird nicht eingehalten, die Jugendlichen haben keine Zukunft. Und das Kohleeinstiegsgesetz, das jetzt am Freitag beschlossen wurde, bleibt noch einmal deutlich hinter den Empfehlungen der Kohlekommission zurück. Also die Lage vor dem Gesetz war schon absolut übel, so übel, dass sie alle friedlichen Möglichkeiten des Widerstandes rechtfertigt, und jetzt wurde da noch mal eine Spitze draufgesetzt.
Peter: Es gibt doch bestimmte Maßnahmen bei der Energiewende, die aktuell schnell wirken und effektiv sind. Das sind doch zum Beispiel Photovoltaik und Windkraft. Und das wird doch in Augsburg auch nicht richtig angegangen?
|
Klima-Camp der Umwelt-Aktivisten auf dem Augsburger Fischmarkt, zwischen Rathaus und Perlachturm. |
Ingo: Genau.
Peter: Dieser neue Umweltschutzbericht der Stadt beschönigt das doch alles, ja er thematisiert diese Fehlleistungen nicht einmal richtig? Seit 2009 oder seit 2008 haben sie diese neun Klimapunkte entwickelt hier in Augsburg, und seit 2011 dann das Klimaschutzkonzept. Da wurde dann zum Teil schon genau angegeben, was sein müsste, damit sie diese 55 Prozent Einsparung bis 2030 erreichen. Und dann – ist nichts?
Ingo: Ja. Übrigens kann man vielleicht auch kurz lobend erwähnen, dass, was Wasserkraft angeht, Augsburg sehr stark ist. Da ist, soweit ich weiß, alles ausgebaut, was ausgebaut werden kann.
Peter: Aber diese Möglichkeiten der Wasserkraft sind halt fast erschöpft
Ingo: Ja. Das mit der Windkraft insbesondere ist ne traurige Sache. Der Ausbau der Windkraft nahm immer weiter zu und das war auf einem sehr guten Weg. Und dann wurde er gekippt.
Peter: Warum wurde er gekippt?
"Wir haben einen extrem großen Beitrag beim Klimawandel"
Ingo: Aus zwei Gründen. Die Subventionen fielen weg und zweitens die bayerischen Gesetze. Es gibt kaum Orte, wo überhaupt Windkraftanlagen aufgestellt werden können.
Da kann man übrigens auch einmal sagen: Es wird oft gesagt: Deutschland ist ein so kleines Land, das kann doch gar nicht so viel bewirken, was Klimaschutz angeht. Das Argument hinkt, aus zwei Gründen. Erstens: Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, es ist zwar von der Fläche her klein, aber sonst sehr bedeutsam. Zweitens: Deutschland ist auf Platz fünf, wenn man alle historischen Emissionen ansieht. Davor liegen nur die extrem großen Staaten wie USA, China, Russland und Indien, glaube ich. Wir haben also einen extrem großen Beitrag beim Klimawandel.
Wir haben aber auch einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, nämlich, als Deutschland die Subventionen für Windkraftanlagen etwa um das Jahr 2000 einführte. Dadurch hat Deutschland ermöglicht, dass die Technologie extrem verbessert wurde. Also der Wirkungsgrad von den Windkraftanlagen wurde dank der deutschen Subventionen, wo der Staat einmal den richtigen Ansatz hatte, extrem erhöht. Dadurch wurde Windkraft erst zu einer wirklich guten Alternative. Dann aber strich der Staat die Subventionen, die 10H-Regel kam, all diese Jobs – es waren ca. 80.000 – sind abgewandert nach China.
Wir haben jetzt eine gute Windkraft-Technologie, und das ist Deutschland zu verdanken, zum großen Teil. Schlecht ist, dass die 80.000 Arbeitsplätze fallen gelassen wurden. Es gab auch keinen Aufschrei oder sowas deswegen. Im Unterschied zu dem Aufschrei, den es jetzt gibt wegen den 18.500 Kohle-Arbeitsplätzen.
Peter: Früher gab es einmal einen Wind-Rotor von MAN, der hieß Growian. Eine Weile war MAN wahrscheinlich führend auf diesem Gebiet. Das ist aber schon lange her. Wisst ihr, welche Augsburger Firmen heutzutage an der Herstellung von Technologie für die Energiewende beteiligt sind?
Ingo: Da habe ich keinen Überblick.
Peter: Ich bin jetzt darauf gestoßen, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl im Aufsichtsrat von Bayerngas, an dem die Stadtwerke Augsburg beteiligt sind, opponierte gegen eine Entwicklung von Bayerngas zum Global Player mit einer teuren und riskanten Erschließung von Öl- und Gasfeldern in der Nordsee. Wegen der geplanten Expansion, die der Oberbürgermeister und der Augsburger Stadtrat ablehnten, reduzierten die Stadtwerke ihren Gesellschafteranteil an Bayerngas. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Anteile an Bayerngas in Höhe von fast 60 Millionen Euro wollte die Stadt in erneuerbare Energien investieren (Wasser- und Windkraft), die Verschuldung der Stadtwerke reduzieren und den Eigenanteil an der Mobilitätsdrehscheibe finanzieren.
Heute sollte man überlegen, ob nicht aus den gleichen Gründen, die OB Gribl damals vertrat, ein kompletter Ausstieg der Stadtwerke aus Bayerngas vertretbar wäre wie auch die Auflösung der Anteile an erdgas schwaben. Wie wir in unserem letzten Artikel schon etwas dargelegt haben, bestehen auch bei erdgas schwaben Tendenzen zu einer bundes- beziehungsweise europaweiten Expansion in bestimmten Geschäftsfeldern. Außerdem ist Erdgas als fossiler Energieträger nach wie vor das Hauptgeschäft von erdgas schwaben. Das könntet ihr Euch auch einmal überlegen.
Ingo: Ja, damit müssen wir uns auch noch stärker befassen. Jedenfalls haben wir in den Forderungen von Fridays for Future Augsburg auch schon einen Punkt Divestment drinstehen. Also dass die Stadt aus allen Beteiligungen, die irgendetwas mit fossilen Energieträgern zu tun haben, aussteigt.
Peter: Und wo habt ihr das drin?
Ingo: Bei den offiziellen Forderungen von Fridays for Future Augsburg, die auf unserer Webseite zu finden sind. Zu denen das Umweltamt übrigens auch schon Stellung bezogen hat. Das ist unbefriedigend, aber man muss es noch einmal genau prüfen .
Peter: Wenn man es noch einmal kurz zusammenfassen kann: Wo liegen denn jetzt die Spielräume oder die Chancen für die nächste Zeit? Auf was muss man jetzt besonders achten, dass man dieses Gesetz wieder irgendwie revidiert, ohne dass ihr hier verzweifelt?
"Eine Verfassungsklage könnte Erfolg haben"
Ingo: Ich weiß es noch nicht ganz genau, weil die Leute bei Fridays f or Future Deutschland, die auch Jurist_innen sind und sich wirklich auskennen, jetzt auch erst dabei sind, sich zu orientieren, was zu tun ist. Ich sage jetzt mal einfach eine Sache, nämlich eine Verfassungsklage könnte Erfolg haben. Aber bestimmt gibt es auch noch andere Möglichkeiten und die kenne ich jetzt persönlich noch nicht. Ich war einfach jetzt hier durch das Camp so eingebunden, dass ich nicht Zeit hatte, online zu recherchieren.
Peter: Ich habe das Gefühl, dass auch EU-Maßnahmen greifen und denen dann hier mit ihrem Kohlegesetz in die Quere kommen. Also dass durch die EU-Bestimmungen zum Beispiel Kraftwerke früher unrentabel werden.
Ingo: Genau.
Peter: Oder EU-Bestimmungen zur Stilllegung zwingen oder die Betreiberfirmen sich eben gezwungen sehen, stillzulegen, früher als dieses Gesetz vorsieht
Ingo: Ja, genau. Und da muss man übrigens auch mal schauen, was passiert denn mit diesen Kohlearbeiter_innen von diesen Kraftwerken oder Gruben, die stillgelegt werden. Man muss nicht glauben, dass RWE und Co. die dann besonders sozial auffangen würden. RWE ist einfach ein gewinnorientiertes Unternehmen und wenn es keinen Profit macht mit Kraftwerken, dann wird das Kraftwerk halt geschlossen und die Mitarbeiter_innen entlassen.
Peter: Hier habe ich in einem Statement der Bundesregierung etwas gefunden, dass der Staat für Beschäftigte ab 58 Jahren, die ihren Arbeitsplatz verlieren, ein als Anpassungsgeld bis zur Rente zahlt.
Ingo: Das ist ja schon mal was, ja.
Peter: Ich meine, sie wollen ja auch gewaltige Infrastrukturmaßnahmen subventionieren, wobei ja Straßen auch darunter sind.
Und Fahrradwege wurden extra noch mal gestrichen aus einem früheren Gesetzentwurf dazu.
"Den Nahverkehr kostenlos machen"
Ingo: Wir würden uns wünschen, dass die Arbeiter_innen entschädigt werden und nicht die Konzernchef_innen. Und dass man wirklich die Kohlekraftwerke abschaltet. Und übrigens, in Spanien wurden letzte Woche die Hälfte aller Kohlekraftwerke abgeschaltet. Und nicht auf Druck einer besonders grünen Regierung hin, sondern das haben die Kraftwerksbetreiber freiwillig gemacht, weil es nicht mehr rentabel war dort. Und in Deutschland gibt es halt die Subventionen und dadurch bleiben die Kraftwerke rentabel.
Und das muss man sich auch mal überlegen: Es sind 60 Milliarden Euro, die Deutschland pro Jahr verwendet für klimaschädliche Investitionen. Das ist eine ungeheure Menge. Nur ein Zahlenbeispiel dazu: Die gesamten Ticketeinnahmen im öffentlichen Nahverkehr pro Jahr in Deutschland liegen – wenn ich mich richtig erinnere – bei 20 Milliarden Euro. Das heißt, man könnte rein rechnerisch, wenn man das wollte, von heute auf morgen die Kohlesubventionen streichen, dann hätte der Staat 60 Milliarden mehr übrig. 20 Milliarden davon, eventuell auch 30 Milliarden, könnte der Staat dann verwenden, um den Nahverkehr kostenlos zu machen in jeder Stadt in Deutschland. Und dann hätte man noch 30 Milliarden über, die man verwenden könnte für was auch immer die Gesellschaft für nötig erachtet. Bildung, Unterstützung von Sorgearbeiter_innen, Coronamaßnahmen, was auch immer anliegt. Stattdessen werden halt 60 Milliarden jedes Jahr an die Konzernchef_innen gegeben.
Peter: Für was sind jetzt diese 60 Milliarden jedes Jahr genau?
Es sind 30 Milliarden direkt für die Subvention von fossilen Brennstoffen und weitere 30 Milliarden für andere klimaschädliche Subventionen.
Peter: Ich bedanke mich, sollen wir das jetzt abschließen?
Ja. Ich wollte unbedingt noch erwähnen, dass wir dafür sind, dass Arbeiter_innen entschädigt werden, also wir wollen die nicht im Regen stehen lassen.
Das Interview führte Peter Feininger vom Forum solidarisches und friedliches Augsburg