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Fabian Mehrking mit Voodoopuppe Jürgen. |
Im fahlen Schein seiner Schreibtischlampe saß Fabian Mehrking, ein Mann, dessen Anzug teurer war als die monatlichen Stromrechnungen seiner gesamten Nachbarschaft. Er war ein bayerischer Minister, ein Titan der öffentlichen Rede, der jede Silbe so sorgfältig wog, als handle es sich um Goldbarren. Doch seit einiger Zeit spürte er nicht die Last des Staates auf seinen Schultern, sondern die pure, unbändige Wut auf einen Mann: Jürgen M. Greater.
Jürgen, dieser Prototyp des medialen Missgeschicks, hatte soeben eine neue Pressemitteilung für die Partei "Geile Wähler" von Mehrking veröffentlicht. Fabian starrte auf den Bildschirm, seine Augenbrauen so hochgezogen, dass sie beinahe seine Haartolle berührten. „Wir haben die Zukunft fest im Blick und blicken fest in die Zukunft‘“, murmelte er mit einem Tonfall, der an eine Mischung aus Ekel und Verzweiflung erinnerte. „Drei redundante Formulierungen in einem Satz! Ich dachte, nach dem ‚wandelnden Wandel‘ wäre der Tiefpunkt erreicht. Aber dieser Greater … er findet immer neue Wege, um die deutsche Sprache zu beleidigen.“
Die Nadel, die er in der Hand hielt, war nicht spitzer als seine Kritik. Es war eine kleine, silberne Stecknadel aus dem Haushaltswarengeschäft. Und sie war für die Voodoopuppe Jürgen bestimmt. Die Puppe selbst war ein trauriges, handgestricktes Etwas aus Jute und Schafwolle. Mehrking hatte sie von einem obskuren Online-Händler erstanden, der seine Produkte als „Instrumente zur emotionalen Stressbewältigung für gestresste Führungskräfte“ anpries.
Mehrking war kein esoterischer Mensch, ganz und gar nicht. Er glaubte nur an handfeste Fakten, an Statistiken und Umfragewerte. Aber Greater war für Mehrking ein Problem, das mit rationalen Mitteln nicht zu lösen war. Greaters unsäglichen Pressemitteilungen schadeten nicht nur seinem eigenen Ruf, sondern zogen die gesamte politische Szene bei den "Geilen Wählern" in den Schmutz. Also musste eine neue Methode her. Eine, die sich auf das Unbewusste, das Metaphysische, ja, das Voodoo-artige konzentrierte.
„Das ist für dein unsägliches Adjektiv, das die Substantive umschifft, als wären sie Seeungeheuer“, zischte Fabian und stach die erste Nadel in den Kopf der Puppe. In diesem Moment saß Greater in seinem Büro und erlitt einen fürchterlichen Migräneanfall.
„Das ist für deinen uninspirierten Aufruf an die Bürgerschaft, ‚die Ärmel hochzukrempeln, um die Alles umzukrempeln‘“, fuhr Fabian fort und stach eine weitere Nadel in den Arm der Puppe Jürgen. Greater, der gerade versuchte, sein Mittagessen in Form einer Currywurst zu sich zu nehmen, spürte plötzlich ein unangenehmes Zucken im Bauch, sodass er einen großen, gelben Klecks auf seinem Hemd hinterließ.
Die letzte Nadel war für das, was Fabian als das Schlimmste aller Übel empfand: Jürgens Verwendung des Wortes „alternativlos“. Er stach die Nadel so tief in die Puppe, wie es nur ging, genau in die Region, wo er das Herz vermutete. In genau diesem Moment verkündete Greater in einer Pressekonferenz, dass es keine „alternativlose“ Lösung gäbe, sondern „viele gangbare Alternativen“. Die Journalisten starrten ihn verwirrt an.
Mehrking lehnte sich zufrieden zurück und betrachtete sein Werk. Er hatte es geschafft. Er hatte Greater bekehrt. Zufrieden wickelte er die Puppe in Zeitungspapier ein.
Als er am nächsten Morgen die Zeitung aufschlug, las er die Schlagzeile, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: „Jürgen M. Greater wegen plötzlich auftretender, unerklärlicher Herzrhythmusstörungen im Krankenhaus.“
Mehrking sprang auf und stürmte zum Schrank. Er musste dringend diese Puppe entsorgen, bevor der Verdacht auf ihn fiel. Doch als er in den Schrank blickte, stand er vor dem leeren Regal. Die Puppe war verschwunden. Plötzlich spürte er ein leichtes Ziehen in seinem eigenen Arm. Er hob den Ärmel seines teuren Anzugs und sah mit Entsetzen, dass eine kleine, silberne Nadel aus seiner Haut ragte.