Historisches Foto von Benno mit erstem Bukowski-Buch
Dazu habe ich auch eine spezielle Erinnerung: Mein Freund
Michael Tonfeld, der in Augsburg als Drucker und Verleger auch zur Underground-Szene zwischen Lech und Wertach gehörte, eröffnete am Oberen Graben einen alternativen Buchladen. Dort gab es verrückte Perfomances. Ich kaufte mir das blaue Buch „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“ sozusagen als Förderung der heimischen Druck- und Verleger-Szene. Und was soll ich sagen, dort waren immer tolle Girls anwesend, die ich wirklich nicht als kontaktscheu beschreiben kann. Mehr verrate ich hier nicht. Gut, Buk und die diversen Frauen sìnd ja auch ein wesentliches Merkmal der Buk-Gedichte, -Geschichten und -Romane. Und weil ich noch nie ein Foto mit Benno und dem blauen Buk-Gedichte-Buch gesehen habe, bat ich ihn eins als historisches Foto zu machen. In seiner bescheidenen Art musste ich den Benno fast dazu zwingen. Ich muss mal nachschauen ob ich dieses blaue Buch noch in meinem Regal habe, und es mal wieder lese, falls. Roni meinte dazu: " Erstaunlich ist, dass – entgegen aller sonstigen Erfahrung – ausgerechnet Gedichte, das Hungerleidergenre aller brotlosen Schriftsteller, einem Autor den Kultstatus einbringen."
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Tom Gratza brachte Bukowski auf die Bühne. |
"Bier ist alles was dir bleibt"
Ich staunte nicht schlecht, als ich auch die grüne Stadträtin und Mitglied des schwäbischen Bezirkstags,
Melanie „Melitta“ Hippke in dem verwegenen Häuflein der Buk-Fans erblickte. „Was machst du hier?“, wollte ich von ihr wissen. Sie verriet mir, dass sie vor allem wegen ihrem Jugendfreund Roni hier wäre. Klar, sie habe auch einige Bukoswki-Bücher und zeigte auf den Tisch, wo die vom Maro-Verlag auslagen.
Eingetrudelt war auch
Tom Gratza, der Augsburger Pianist, Komponist und Chansonnier, von dem wir erfuhren, dass er auch schon mal ein Programm mit Buk-Texten auf die Bühne gebracht hat. Das war 1994 unter dem schönen Motto "Wiedermal totgesagt … und Bier ist alles was dir bleibt“ in Luckys Bar im Keller der Augsburger Maximilianstraße. Tom am Klavier und der verwegene Peter Matzer als Maitre Corbeau riefen zur Trauerfeier mit Dosenbier und Whisky. Buk war am 9. März 1994 verstorben. Wobei der chaotischkreative Matzer in seinen besten Zeiten durchaus Buk-Niveau erreichte.
Einige Turnübungen mit Kabelsteckversuchen waren von
Thomas Otterstein nötig, bis es aus dem Lautsprecher tönte. Er präsentierte Bukowski auf Vinyl und mit Hörbeispielen auf diesem merkwürdigen Gerät namens Plattenspieler mit dem sich drehenden Teller und dem schwenkenden Tonarm. Das war ein sehr spannender und lebendiger Teil im Programm, bei dem allerdings der Song einer deutschen Band etwas missfallen erregte, da er zu sehr nach Kinderlied klang. Fand ich gar nicht so schlecht, aber drang nicht durch mit meinem Geschmack. Mir gefiel auch, dass Thomas ein durchaus gefühlvolles Gedicht von Buk über das Grammophon in der Kindheit vorlas. Thomas hat in Hamburg den Schallplattenladen
Otterstones, bei dem schaue ich sicher vorbei, wenn ich bald wieder meine Tochter in Hamburg besuche.
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Thomas Otterstein legt Bukowski auf. |
Buk stand komischerweise nicht auf die Musik der Flower-Power-Generation
Ich hörte zu und dachte mir dabei: „Wird Zeit, dass ich die CD einlege bei der Michael „Simmi“ Symolka 34 Texte, zusammengefasst unter dem Titel "
Irgendwo in Texas", von Bukowski liest. Mit Musik von Martin Seiler als Hörbuch angeboten. Simmi ging mit mir in die Fachhochschule für Gestaltung und war dann später mit Journalist bei „Podium“ und der „Szene“, Radio-Moderator bei RT1 und auch eine Weile Wirt und Koch in der kleinen Kneipe „Grünes Bäumle“. Ein Fremdwort-Artist, der Beschimpfungen zu einer großen Kunst perfektionierte. Er arbeitete ab und zu bei Maro, brachte mit Pit Kinzer das Literatur-Magazin „sprachlos“ heraus. Leider war er schreibfaul. Das monumentale Werk von Buk schaffte er nicht. Ich lass ihn mal als Augsburger Mini-Buk durchgehen, da er immerhin einen Gedichtband über seine Frauen schaffte: „Innereien“. Für mich als Herr Ausgeber verfasste er einst das „Hippie-Lexikon“. Wobei zwischen den Stichwörtern "Buffalo Springfield“ und „Burdon, Eric“ kein „Bukwoski, Charles“ auftaucht. Zurecht, denn Buk, der gerne sein Kofferradio aus dem Fenster warf, stand komischerweise nicht auf den Sound der Flower-Power-Generation, oder Psychedelic, oder Beat, oder Rock oder Punk. Er liebte Beethoven und Brahms. Wir erfahren, dass Buk sogar das Essay "Jaggernaut" über einen Auftritt der Rolling Stones verfasste, wobei er sich über Mick Jagger und sein Gehopse auf der Bühne lustig machte. Dazu ärgerte Buk sich mächtig, dass die Freundin, wegen der er zum leidvollen Stones-Konzert gegangen war, unterm Konzert verschwand und schlafend im Auto lag. Dieses Essay schrieb Buk im Auftrag von Creem-magazine, wo es im Oktober 1975 erschien.
Auch Wolfgang, einer der kritischsten Augsbürger, die ich kenne, saß im Publikum. Er betreibt die Internetseite „
Kommunikation & Kaffee – KoKa Augsburg“. Da wird auf die Ausbeuter und Sklaventreiber verbal tüchtig draufgehauen. Charles Bukowski schlug sich mit allen möglichen Jobs durchs Leben. Selbstausbeutung war angesagt. Pferderennen verbrannten seine Kohle. Nebenbei schrieb er. Erst spät dürften seine Autoren-Honorare zum Leben in Los Angeles gereicht haben. Nachdem außer Maro auch große Verlage das gute Verkaufspotential von Buks heftig-deftigen Werken mit skurrilen Stories erkannt haben. Wobei hier durchaus nicht nur ausufernde Bier-Orgien und dubiose Sex-Skandale, sondern auch viel Humor und noch mehr Tiefgang zu finden ist. Lesenswert sind seine Bücher mit durchgeknallten Typen und schrägen Frauen auf jeden Fall immer noch. Allein schon Titel wie "Kaputt in Hollywood", "Schlechte Verlierer" oder "Leben und Sterben im Uncle Sam Hotel" joder Wie man sich bettet, so lügt man" versprechen pures Lesevergnügen. Zwischen 1960 und den frühen 1990er Jahren veröffentlichte Bukowski weit über vierzig Bücher mit Gedichten und Prosa. Über ihn wird gesagt: "Seine direkten und harten Texte sind zumeist autobiografisch, sie handeln von Alkohol, Drogen, Pferdewetten, Sex, Prostitution und der Brutalität des Lebens. Fast jeder kennt ihn, auch Literaturmuffel haben seinen Namen schon einmal gehört."
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Melanie Hippke mag Bukowski und noch mehr den Roni. |
Benno schaltete Anzeigen
Benno erzählte uns auf seine trockene und direkte Weise zwischendrin die Wahrheit über seinen ersten Vertrag zur Buchveröffentlichung von „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“. Dieser, geschrieben mit einer Schreibmaschine auf drei Seiten, war an der Wand mit Bukowski-Postern zu bewundern. Zumindest eine Seite des legendären Vertrags. In Augsburg arbeitete Benno einst in der Schnelldruckerei Blasaditsch, dann machte er sich mit einer kleinen Druckerei selbständig. Da hatte ich die ersten Berührungspunkt mit ihm. Wir hatten mit unserem Augsburger Monatsmagazin “Lueginsland“ begonnen und brauchten Plakate, Flugblätter und Prospekte von ihm. Aber auch Anzeigen zur Finanzierung unseres „Lueginsland“. Benno hat ab und zu eine bei uns geschaltet. Also, Benno bekam Besuch von
Carl Weissner, der Bukowski-Texte auf Deutsch drucken wollte. Benno gefielen die und er machte dazu seinen Maro-Verlag auf. Nach einem Bericht in der ehemaligen Musik-Zeitschrift „Sounds“, die ich auch immer gerne las, stiege die Nachfrage für „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“, dieses blaue Buch mit der blauen Schrift drin, gewaltig an.
Auf dem Bett im Nebenzimmer gelandet
Zu Ausschnitten aus dem Dokumentarfilm von Thomas Schmitt über Bukoswski mit einem Besuch bei ihm in Los Angeles, erzählte Schmitts damalige Mitarbeiterin Alexandra von Graeve, die extra nach Augsburg kam. Von ihr, eine äußerst eloquente Lady, erfuhren wir, dass Buk im VW laut Klassikmusik aufdrehte, dass er weinte, als er an eine Verflossene dachte und auch mal ein Puff-Boss zu Besuch kam. Voll ab gings, so erzählte sie uns, bei einer Party in Los Angeles, bei der sie auch eingeladen war. Es gab nach unzähligen Drinks eine spezielle Sex-Show, bei der eine Striptease-Tänzerein von ihrem Galan von oben bis unten abgeschleckt wurde. Obwohl Alexandra auf einem Bett im Nebenzimmer landete, „ist nichts passiert“, erinnert sie sich. „Übrigens war Charles Bukowski ein ganz, ganz, lieber Mensch“. Das anwesende Publikum erfreute sich besonders über Alexandras Oma, eine bildungsbürgerliche Person, die sich unerwarteterweise über Bukoswski und seine wilden Texte begeistern konnte, weil sie ein Buch von ihm von ihrer Enkelin Alexandra erhalten hatte.
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Alexandra von Graeve erzählt auch Delikates aus ihren Erinnerungen an die Filmarbeiten zu einer Doku über Charles Bukowski. |
Total blamiert
Nach dem Bukowski-Symposium landete die verschwitzte und ausgedörrte Bukowski-Gesellschaft, auf Ronis Hemd war der Riesenschweißfleck längst verdampft, mit mir in der Jakober Vorstadt im Biergarten des Gasthauses „Drei Königinnen“. Dort blamierte ich mich totalund tappte in zwei gigantische Fettnäpfchen. Als ich wissen wollte, ob schon Straßen und Plätze existieren, die nach Bukowski benannt worden sind, war die Antwort: „Ja, in Andernach gibt es ein 'Bukowski-Ufer'“. Vom Klang des Ortsnamens her, vermutete ich Andernach, den Geburtsort von Charles Bukowski, in Belgien oder Holland. Dummerweise habe ich das auch noch laut herumgeplärrt. Das war voll daneben und somit Kacke! Andernach liegt sehr wohl in Deutschland und Bukoswki hat bei seiner Lesereise „Die Ochsentour“ mit Freundin Linda 1978 seinen deutschen Geburtsort am Rhein besucht, wo er am 16. August 1920 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte. Wieder was gelernt.
Bisher hatte ich mich um Buks Leben nicht besonders gekümmert. Weitaus mehr um seine literarischen Ergüsse. Ich werde wohl die Einladung für Andernach annehmen, die mir im Biergarten angeboten wurde. Übrigens, ist das der Biergarten in dem wir,
Kurt und
ich, früher bei „Literatur im Biergarten“ mehr oder weniger bekannte Autoren zu meist recht originellen Lesungen eingeladen hatten.
Mein zweiter Fauxpas an diesem Abend im Biergarten hinter hohen Mauern war mein misslungener Superwitz über das Charles-Bukowski-Ufer: „Da kann er dann vom anderen Ufer sein!“ Eine alte und blöde Schwulen-Bemerkung. Schweigen am Tisch. „Wir lassen jeden nach seiner Facon glücklich werden“, war zu hören. Ey, Leute ganz meine Meinung. Sorry, tut mir leid, Mega-Schmarrn von mir!
Kulturelle Klugscheißer
Wir wissen in Augsburg, wie die Namen von Straßen und Plätzen benannt werden. Lang hat es gedauert bis der weltberühmte Bert Brecht ein Stückchen Straße an der Kahnfahrt bekam. Oder der Schlager-König Roy Black, der muss sich in Göggingen mit einem Weg durch den Park zufrieden geben. Beides Menschen die unzählige andere Menschen mit ihrer Kunst glücklich gemacht haben. Hingegen Arschlöcher, Kriegsfinanzierer und Menschenschinder wie der alte Jakob Fugger werden mit großen Straßen und einem schönen Platz vor dem Museum als Kriminelle in Augsburg belohnt. Brechts "Dreigroschenoper" beschäftigt sich auch mit Außenseitern wie es Buk tat. Auch Roy Black war dem Alkohol, verfallen wie Bukowski. Wir sehen dazu einen Film über einen Auftritt von Bukowski im französischen TV, bei dem er sich nach und nach gründlich volllaufen lässt und schwankend das Studio verlässt. Was sollte er auch unter diesen kulturellen Klugscheißern sonst anfangen? Spätestens damit hatte Bukowski sein Image als Dirty Old Man und Trinker weg.
„Man macht mich viel mutiger und begabter, als ich es gewesen bin. Es wird übertrieben ... die menschliche Rasse übertreibt alles. Ihre Helden, ihre Feinde, ihre Bedeutung“, meinte Bukowski.
Ich meine: Gilt auch für mich.
Bericht und Fotos: Unser Gaststar Arno Loeb