Bricht der aktuelle Pflegeheim-Skandal das Dreierbündnis der Augsburger Stadtregierung auseinander?
Mitglieder von CSU, Grüne und SPD schwer empört über unglaubliches Pflegedesaster, heftige Missstände und Millionenverluste
Unser aktuelle Exklusiv-Interview mit Augsburgs einzigem kritischem Stadtrat, der durchblickt:
Volker Schafitel
Volker Schafitel: Das wird eine Millionen-Pleite für Augsburg.
ASZ-Frage: Hat die Stadt Augsburg das Desaster beim Eigenbetrieb Altenhilfe,
welches, der ehemalige Sozialreferent Weinkamm insbesondere in Form des Pflegeheimes
Lechrain hinterlassen hat annähernd überblickt?
Schafitel-Antwort: Anlässlich eines geplanten Jahresdefizits 2014 beim Eigenbetrieb Altenhilfe von
knapp 2,1 Millionen Euro und eines tatsächlichen Defizits 2014 von knapp 3 Millionen Euro (Defizitplus von
ca. 1,2 Millionen Euro) im Jahr 2014, habe ich nicht den Eindruck.
ASZ-Frage: Nachdem das Pflegeheim Lechrain seit Mitte 2013 in Betrieb ist, deutet alles
darauf hin, dass dort das große Loch klafft, oder?
Schafitel-Antwort: Ja, dies ist erstaunlich, weil der sogenannte Businessplan der
Beraterfirma
Schwan&Partner für das erste Jahr lediglich ein Defizit von 29.451 Euro für Lechrain ausweist,
und dieser Businessplan Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat war, das Haus für
jährlich
1.388.888,-- Euro anzumieten und es
selbst zu betreiben.
ASZ-Frage: Von wem mietet es die Stadt Augsburg denn an?
Schafitel-Antwort: Vom angeblichen Pflegeimmobilienprofi, der Firma Erl-Bau.
ASZ-Frage: Weshalb wurde die Beraterfirma Schwan&Partner im September 2014 mit
der Erstellung des Wirtschaftsplans für 2015 beauftragt?
Schafitel-Antwort: Das wundert mich schon sehr, denn trotz der Fehleinschätzung von 4000 Prozent im bisherigen Wirtschaftsplan 2012/13
von Schwan&Partner stellt sich die Frage, weshalb diese Beraterfirma im
September 2014 mit der Erstellung des Wirtschaftsplans für 2015 beauftragt wurde.
ASZ-Frage: Haben Sie irgendwelche Zweifel?
Schafitel-Antwort: Hm, also die 3 falschen Ansätze von Schwan&Partner im Businessplan 2011 für das Haus
Lechrain will ich hier mal nennen: Die Belegungsübersicht der Augsburger Altenheime 2014 zeigt deutlich,
das bei allen Heimen nahezu Vollauslastung zwischen 90 Prozent und 100 Prozent herrscht, während das Haus Lechrain mit 50 Prozent ausgelastet ist, von Schwan &Partner aber mit 95 Prozent für 2014
prognostiziert
wurde.
ASZ-Frage: Was bedeutet das Ihrer Ansciht nach?
Schafitel-Antwort: Das wirkt sich natürlich extrem auf die Wirtschaftlichkeit des Heims
aus, denn die
Millionenmiete an Erl-Bau läuft weiter und ist für 25 Jahre mit
Steigerungsindex vereinbart.
ASZ-Frage: Haben Sie dazu noch weitere Zahlen, die auf Misswirtschaft hindeuten können?
Schafitel-Antwort: Ich sage nur: Die Anschaffungskosten für Inventar, welche die Stadt zu leisten hat, wurden von Schwan&Partner im Businessplan mit 1.089 Millionen Euro veranschlagt.
ASZ-Frage: Gefallen Ihnen diese Zahlen icht?
Schafitel-Antwort: Jetzt hört mal, dies ist ein utopisch niedriger Ansatz von 6000 Euro pro Pflegeplatz der von Branchenkennern bei 10.000-12.000 Euro pro Platz kalkuliert wird. Tatsächlich wurden dem Stadtrat 2013 1,8 Millionen Euro zum Beschluss vorgelegt was exakt dem Branchenwert von 11.000 Euro pro Pflegeplatz entspricht.
Schafitel: Es geht um viel Geld. Um unser Geld.
ASZ-Frage: Sie wollen doch nicht behaupten, dass die Stadt Augsburg in dieser Sache wie ein Depp handelt?
Schafitel-Antwort: Das müssen Sie sich schon selbst denken. Meiner Meinung nach wurde durch die Neueinstellung von 20 Vollzeitkräften errechnet Schwan&Partner eine Kosteneinsparung von 180.000 Euro im Jahr (Pro Pflegekraft 9000 Euro im Jahr) .
ASZ-Frage: Klingt doch gut, oder?
Schafitel-Antwort: Dies wäre aber nur mit Lohnkürzungen von 25 Prozent zu realisieren, was bei dem derzeitigen Pflegekräftemangel so gut wie ausgeschlossen ist!.
ASZ-Frage: Welche Gründe könnte die Fehlprognose der städtischen Beraterfirma haben, wenn man
davon ausgeht, dass es sich bei Schwan&Partner um eine der führenden Beraterfirmen im
Pflegebereich handelt. Mangelnde Professionalität kann es wohl nicht sein. Was meinen Sie?
Schafitel-Antwort: Das Familienunternehmen ErlBau aus Deggendorf hat die „Pflegeimmobilie“ zu seinem wichtigsten Geschäftsmodell entwickelt. Mit den Vertriebsargumenten „Rendite“ und
„Demographie“ erstellt das Unternehmen in Süddeutschland Pflegeheime und sucht sich
dafür in der Regel einen privaten Betreiber, dem er das erstellte Objekt langjährig (25Jahre)
mit Steigerungsindex vermietet.
ASZ-Frage: Und?
Schafitel-Antwort: Naja, mit dieser so genannten 25-jährigen Mietgarantie sucht sich ErlBau
private Anleger, denen sie Pflegeapartments im Teileigentum verkauft. Kurios dabei ist, dass
das Teileigentum, als Pflegeapartment, nur ca. 17 Quadratmeter hat, und die dazugehörige Allgemeinfläche ca. die 3-fache Größe, also 54 Quadratmeter),einnimmt. Inwieweit man bei diesem Verhältnis noch von einem abgeschlossenen Teileigentum zu sprechen kann ist grenzwertig.
ASZ-Frage: Geht es wirklich nur um Geld? Um viel Geld? Wer ist hier zu raffgierig? Geht es hier um große Summen, schnell und einfach verdient? Auf dem Rücken der Alten und ihren Angehörigen?
Schafitel-Antwort: Die Firma ErlBau bietet seinen Anlegern eine Rendite zwischen 4 und 5 Prozent über 25 Jahre an. Mit dem Verkaufsargument „alt werden wir alle“ finden sich genügend Käufer. Für die Businesspläne, die dem „Geschäftsmodell Pflegeimmobilie“ die wirtschaftliche Grundlage und Seriosität geben, bedient sich ErlBau schon viele Jahre der renommieren Beraterfirma
Schwan&Partner, die z.B. für ErlBau ein Standortgutachten in Affing erstellt hat, welches
sich bei genauer Betrachtung als „Schönpapier“ entpuppt hat.
ASZ-Frage: Was ist dann passiert?
Schafitel-Antwort: Das Heim wurde aus guten Gründen nicht gebaut. Affing war schlauer als Augsburg.
ASZ-Frage: Was ist für Sie der eigentliche Skandal?
Schafitel-Antwort: Für mich ist es ganz klar ein Skandal, wenn Schwan&Partner für die Stadt Augsburg einen Businessplan erstellt, auf dessen Ergebnis die Stadt einen 25-jährigen Mietvertrag mit ErlBau abschließen wird, und Schwan&Partner gleichzeitig das Beratungsunternehmen von ErlBau ist.
ASZ-Frage: Was veranlasst denn die Stadt Augsburg ein Pflegeheim für einen Preis zu mieten, welches sie für einen Bruchteil des Kosten beim Eigenbau selbst finanzieren könnte? Wissen Sie es?
Schafitel-Antwort: Nach aktuellen Erfahrungswerten liegen die Herstellungskosten eines Pflegeplatzes zwischen 80.000 Euro und 100.000 Euro. 183 Plätze des Hauses Lechrain kosten demnach ca. 16,5 Millionen Euro Auf eigenem Grundstück gebaut, kostet das Heim bei 2 Prozent Finanzierungskosten jährlich 330.000 Euro Das sind gut 1 Million Euro weniger als die Stadt Miete an ErlBau bezahlt.
Selbst bei dem Erwerb eines Fremdgrundstückes liegen die Finanzierungskosten bei
weniger als der Hälfte der jetzt gezahlten Miete.
Lechrain-Pflege: Wer erfüllt hier wem irgendwelche Gefälligkeiten? Sicher nur die Pfleger den Gepflegten ....
ASZ-Frage: Durch diese einfache Rechnung müsste jedem Augsburger, noch so dummen, Politiker doch ein Licht aufgehen, denken wir.
Schafitel-Antwort: Müsste, müsste ...
ASZ-Frage: Rappelkiste ... Ist es Ahnungs-, oder Verantwortungslosigkeit oder steckt dahinter das Interesse, allen Beteiligten und Akteuren nebst der eigenen Stadtsparkasse auf Kosten des Gemeinwohls satte Gewinne einsacken zu lassen?
Auf dem Bild: Wer gehört zu den Raffgierigsten? (v.rn.n.l.) Herbert Wörner (ehemaliger Grundstückeigentümer), Dr. Walter Eschle (Stadtsparkasse), Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl, Frank Kühnhauser (Erlbau), Susanne Greger (komm. Werkleitung Altenhilfe), Sozialreferent Max Weinkamm, Alois Erl Junior mit Nachwuchs (Erlbau), Alois Erl Senior (Erlbau), Bauleiter Markus Plecher ( Erlbau), Alois Erl Senior (Erlbau) und Michael Erl (Erlbau).
ASZ-Frage: Was wird nun von wem an Kohle abgezockt?
Schafitel-Antwort: Auf der Basis eines angeblich visionären Businessplans von Schwan&Partner
verdiente ErlBau nach meiner Berechnung nicht viel weniger als 10 Millionen Euro an der
Pflegeimmobilie Lechrain. Auch die Stadtsparkasse nahm einen Millionenbetrag über Provisionen und
Finanzierungen
bei einer Verkaufssumme von ca. 29 Millionen Euro an Privatanleger ein.
ASZ-Frage: Bitte etwas klarer, wenns geht.
Schafitel-Antwort: Verdient haben an diesem Geschäft die Bauträger, Berater, Banken und
Privatanleger Das Defizit zahlen die Bürger von Augsburg
- und zwar 25 Jahre lang.
ASZ-Frage: Unser OB Dr.Kurt Gribl meint, mit diesem Pflegeheim haben sich seine guten Erwartungen bestens erfüllt. Erinnnert uns das irgendwie an das verpfuschte Schmuckkästlein Eisstadion?
Schafitel-Antwort: Weshalb sich dabei die Erwartungen des OB Gribl erfüllt haben, wir er auf der Homepage der Fa. ErlBau zitiert wird, bleibt uns immer noch verschwommen. Genauso bleibt unklar, weshalb sich OB Gribl und Sozialreferent a.D. Weinkamm, der behauptete, dass er durch einen gemeinsamen Bekannten die Fa. ErlBau kennen gelernt hat und sofort angesprungen ist, und dazu auch noch der Verwaltungsbeirat von Lechrain J.Sedlmayer auf Videos für die Firma ErlBau als Werbeträger eines finanziellen Heimdesasters zur Verfügung stellen.
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ASZ-Frage: Wusste die Stadt eigentlich, dass Schwan&Partner die langjährige Beraterfirma von ErlBau ist?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal die anderen Stadträte!
ASZ-Frage: Warum ist der Eigenbetrieb Altenhilfe nicht wie andere private Wohlfahrtsverbände in
der Lage ihren eigenen Wirtschaftsplan zu erstellen?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal die anderen Stadträte!
ASZ-Frage: Warum produziert der Eigenbetrieb Altenhilfe jährlich über 3 Millionen
Euro Defizit während die anderen Wohlfahrtsverbände ihre Altenheime ohne Verluste betreiben?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal die anderen Stadträte!
ASZ-Frage: Wie kommen OB Gribl und Sozialreferent Weinkamm dazu, Werbeträger für ErlBau zu
spielen, wo diese Firma der Stadt ein Millionendefizit beschert hat? Wie verantwortet Max Weinkamm seine Fehlenstcheidung, die der Stadt jährlich über eine Million kostet und dies voraussichtlich die nächsten 25 Jahre?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal den Gribl und den Weinkamm!
ASZ-Frage: Mit welchem „Businessplan“ hat sich Dr. Stefan Kiefer um das Sozialreferat beworben
und wie sieht sein „Sanierungskonzept Eigenbetrieb Altenhilfe“ bis 2020 aus?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal den SPD-Bürgermeister Kiefer!
ASZ-Frage: Wie rechtfertigt die Stadtregierung ein Defizit von jährlich über 3Millionen
Euro mit der Aufgabe „bürgerschaftliche Grundversorgung“ während andere Wohlfahrtsverbände diese
Aufgabe ohne Defizit erfüllen?
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal die Stadtregierung!
ASZ-Frage: Wie rechtfertigt die Stadtsparkasse den Vertrieb von überteuerten Immobilieneinheiten
gegenüber den Augsburger Bürgern, die sie indirekt als Garanten für eine zu hohe
Rendite benutzt.
Schafitel-Antwort: Fragen Sie doch mal die Sadtsparkasse!
ASZ-Frage: Gut, gut, Herr Schafitel, da verschaffen Sie uns ja viel Arbeit mit der Fragerei. Wir würden jetzt noch gern ihre Abschlussworte zu diesem Skandal hören.
Schafitel-Antwort: Dass das Haus Lechrain von Anfang an eine politische Fehlenscheidung, Fehlinvestition und soziologische Fehlplanung ist, wird einem klar, wenn man etwas von der dünnschichtigen und politisch aufgetragenen Goldoberfläche abkratzt. Tiefer will man gar nicht bohren!
ASZ-Frage: Wir aber schon. Und nicht nur in der Nase ...wie andere ...Äh, danke für das aufschlussreiche Gespräch. Die Augsburger Stadtregierung wird dadurch gepeinigt aufheulen ...
Schafitel: Wie rechtfertigt die Augsburger Stadtregierung ein Defizit von jährlich über 3 Millionen Euro mit der Aufgabe „bürgerschaftliche Grundversorgung“ während andere Wohlfahrtsverbände diese Aufgabe ohne Defizit erfüllen?
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Volker Schafitel ist Architekt, Mitglied bei den Freien Wählern und sitzt im Augsburger Stadtrat.