Mittwoch, 27. Januar 2021

Gablinger Gefängnis-Geschichten: "Wo bleibt meinTee?"

Warum  nicht lieber Blümchen-Bier statt Tee?

Auf den Tag genau bin ich jetzt sechs Monate in Haft. Ein halbes Jahr. Krass, oder? Gestern habe ich an Euch einen Brief mit falschem Datum geschickt ... aber gestern war mein Kopf auch voll von Paragraphen und dem ganzen Scheiß. 

Denn so eine Beschwerde nach Paragraph 109, wie gestern von mir gemacht, muss schon sehr gut mit anderen Paragraphen begründet sein. Übrigens: Gestern haben wir auch einen neuen Mithäftling bekommen, scheint ein netter Held der hat zu sein, der draußen Koch war. Die erste Person, die irgendwie mal annähernd mit Küche zu tun hat. Hahaha. 

Es ist schon irgendwie komisch, wenn man einen neue Mithäftling bekommt. Es fühlt sich ein wenig wie ein Eindringling an. Scheint ein netter älterer Herr zu sein, der draußen Koch war. Die erste Person, die annähernd mal mit Küche zu tun hat.

Da ist nach Monaten der oft gleichen Gesichter plötzlich ein Neuer. Das ist schon lustig. Haha. Gestern war es auch sehr chaotisch in der Arbeit. Da muss ich allerdings ein wenig ausholen. 

Vor ein paar Wochen habe ich mir im Eifer des Kochgefechts Fischsoße in meine Schuhe gekippt. Natürlich aus Versehen. Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, wie die Geruchsentwicklung in den Arbeitsschuhen war. Kurzum, sie haben gestunken. 

Nach längerem Hin und Her wurden mir neue Arbeitsschuhe bewilligt. Also musste ich meine Arbeitsschuhe mit den Arbeitsklamotten, den alten, in die Wäscherei schicken. Das war vorgestern. Gestern will ich - selbstverständlich voller Tatendrang - meine Arbeit in der Gefängnisküche beginnen, kann aber meine Arbeitsschuhe nirgends finden. Ach ja, stimmt, die sind ja ausgetauscht worden. Aber wo sind die neuen? 

Zur kurzen Erklärung, unsere normalen Haftschuhe sind schwarze, schlichte Treter. Die Arbeitsschuhe hingegen sind weiß. Vorgeschriebene Sicherheitsschuhe, mit Stahlkappen vorne. Ich also mit meinen schwarzen Schuhen ab durch die Küche, ins Büro. In diesem Büro herrschte schon in der Frühe ein gewisses Stresslevel. Fragt mich nicht wieso, aber da waren drei Küchenbeamte recht schlecht gelaunt. 

Da komme ich gut gelaunter Mann also mit seinen Hausschuhen an und verlange zu wissen, wo meine neuen Arbeitsschuhe sind. 
Woher sollte man das wissen und was geht das einen an, war die Antwort. 
Durch den plötzlich harschen Ton schlug auch meine Laune nun in Trotz um. 
Mir wäre es auch wurst, wo die Schuhe sind, aber ich arbeite nicht ohne Sicherheitsschuhe. Denn wenn mir etwas auf meinen Prinzessinnen-Fuß fallen würde, wäre das Geschrei erst richtig groß. 
Ich soll sofort das Büro verlassen, war die Antwort. 

Nun gut dann gehe ich halt Kaffee trinken und so setzte ich mich in den Aufenthaltsraum. Mit Kaffee und Kippe. 

Zu erwähnen ist noch, dass meine morgendlichen Tätlichkeiten, das Teeabfüllen für die anderen Arbeitsbereiche des Gefängnisses umfasst. Da wird aus einem großen Tee-Behältnis, in kleinere Transportboxen Tee umgefüllt. Da ich allerdings keine Sicherheitsschuhe an den Füßen hatte, konnte ich diese gefährliche Aufgabe nicht ausführen. 

Eine erzürnte Beamtin, die ihre Teebox holen wollte, verlangte lauthals nach ihrem Tee. Ich musste meine Kaffeepause unterbrechen und ihr erklären, dass ich den Tee nicht umfüllen könne, da nicht ausreichend gesichert. 
Man wollte sie wohl verarschen, sie komme in 10 Minuten wieder und wolle ihren Tee. 

Ich also wieder, mit meiner schwarzen, gut als Nicht-Küchenschuhe sichtbaren Schuhe wieder ins Büro. Wieso ich keine Küchenschuhe trage, war die mich erwartende Frage. 
Weil ich meine Scheißschuhe nicht finden könne, die Antwort. 

Gut, dann wird das nun zur Chefsache erklärt. Man kümmerte sie sich höchstpersönlich um den Verbleib meiner Schuhe. Aber was ich nun machen sollte, ohne ausreichende Sicherheit am Arbeitsplatz? Die Mitarbeiter schieben wie verrückt ihre Wägen von A nach B und jemand könne mir über meinen verletzlichen Fuß fahren. Ich sollte schleunigst das Büro verlassen und keine Nerven mehr sägen. Also gut, wieder zurück zu meinem erquickenden inzwischen lauwarmen Koffeeingetränk.

Vor lauter Aufregung hat man natürlich die Dame und ihr unbändiges Verlangen nach jeder Teebox vergessen. Kaum im Aufenthaltsraum ein wenig zur Ruhe gekommen, öffnet sich die Tür und jemand ruft, wo der Tee bleibe. 
Keine Sicherheitsschuhe, kein Tee war meine Antwort.

Anscheinend wurde dies auch direkt so weitergegeben, da kurze Zeit später über Lautsprecher, ja, Küchen-Beamte haben ein Mikrofon in ihrem Büro, wodurch sie mit ihrer lieblichen Stimme die ganze Küche bezahlen können, eine Stimme ertönte, ob es bei uns hacke und ob man ihn verarschen wollte.

Wie?, es gäbe keinen Tee wegen irgendwelchen Schuhen zefix! 

Das Ende der Geschichte: irgendwann war ich der stolze Besitzer fast neuer Schuhe. Irgendjemand hatte der Dame ihren Tee gemacht und gebracht. 

Ich musste wegen eines psychologischen Gesprächs meine Küchen-Arbeitsklamotten gegen die normale Anstaltskluft tauschen. Da wir aufgrund von Corona immer auf unseren Zellen das Essen einnehmen müssen, dementsprechend von der Küche zu unseren Hafträumen laufen müssen und alle ihre Küchen Klamotten anlassen, war es ein glücklicher Zufall, dass wir genau in diesem Augenblick, der Tee Dame über den Weg laufen. Alle in Arbeitsklamotten, bis auf meine Wenigkeit, der ja aus Gründen eines Termins als einziger normale Klamotten anhatte. 

Mit traurigen Augen blickte ich sie über meine Maske weg an und sagte vorwurfsvoll: "Wegen ihrem Tee habe ich meinen Job verloren!" 

Ihr Blick unbezahlbar - meine Genugtuung göttlich.

Euer BRZN

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