Bild: Das Theater Augsburg ist ein Patient. Das Foto stammt aus der aktuellen Aufführung Sonny Boys.
Hallo Augsburg! Ein neuer Datschi-Schreiber stellt sich in unserer Zeitung mit einem reisserischen Augsburg-Thriller exklusiv vor:
Die alte, dem Verfall preisgegebene Dame
Autor: Peter Grab
Jahre, viele Jahre vergingen, in denen man der Komödie im Gignoux-Haus im
idyllischen Augsburger Altstadtviertel hätte helfen können. Die maroden Zustände
waren ebenso bekannt wie die unzumutbaren Arbeitsbedingungen für die
Künstler und Mitarbeiter (z. B. unerträgliche Temperaturverhältnisse).
Jedoch mogelte man sich Spielzeit für Spielzeit irgendwie durch. Als
letzter Lichtblick bot sich der Erwerb des ehrwürdigen Hauses an, doch die
Stadtverantwortlichen winkten ab und nahmen gar die Gefahr einer
mittelfristigen Schließung des Hauses wegen unzureichender Brandschutz-
und Sicherheitsbedingungen in Kauf. Schließlich erklärte die zuständige
Sicherheitsbehörde, die vorhandenen Mängel so nicht länger hinnehmen zu
können – das Aus der Komödie schien besiegelt. Spätestens zu diesem
Zeitpunkt hätten die Modalitäten des Rückbaus bedacht werden müssen. Eine
letzte mehrjährige Mietverlängerung wurde 2006 verhandelt, ohne dabei
jedoch das Thema Rückbau zu berücksichtigen; dies trotz der hochkomplexen
rechtlichen Situation mit uralten Verträgen, vielfachen Ergänzungen und
Verlängerungen, etlichen Ein- und Umbauten. Dazu trat zum 1.1.2008 auch
noch eine neue, verschärfte Versammlungsstätten-Verordnung in Kraft – die
gebrechliche Dame ward gebrochen.
Da half kein Jammern ...
Am 2. Mai 2008 wurde ich zum Kulturbürgermeister gewählt und ging
selbstverständlich davon aus, dass das Haus bestellt sei aufgrund der
vorgenannten, den Verantwortlichen bekannten Tatsachen, oder man sich doch
zumindest entsprechend vorbereitet habe, z. B. mittels einer
Arbeitsgruppe. Folglich rechnete ich mit bestehenden Überlegungen zu einer
zweiten Spielstätte oder einem realistischen Sanierungskonzept. Nichts
dergleichen fand ich vor, obwohl der 2006 abgeschlossene Mietvertrag nur
eine Laufzeit von drei Jahren hatte und das Amt für Brand- und
Katastrophenschutz einer weiteren Verlängerung über 2009 hinaus nicht
zustimmen wollte. Da half kein Jammern oder Wehklagen, es musste sofort
gehandelt werden. Bald nach meinem Amtsantritt gründete ich die notwendige
Arbeitsgruppe. Als nach und nach auch bei der Freilichtbühne, den
Theater-Werkstätten und weiteren Gebäuden einschließlich des Großen Hauses
immer mehr ungelöste Probleme auftauchten, plädierte ich schließlich für
eine Grundlagenermittlung.
Schwierigkeiten ...
Parallel dazu bemühte ich mich unter schwierigen Rahmenbedingungen
wenigstens eine weitere Spielzeit in der Komödie auszuhandeln. Ich musste
Zeit gewinnen, um eine planvolle Vorgehensweise zur Rettung der Augsburger
Theaterlandschaft abzustimmen. Dies ist mir dann doch noch quasi in
letzter Minute gelungen, wenngleich unter Auflagen, die trotz der großen
damit verbundenen Schwierigkeiten erfüllt werden konnten. Leider wurde die
Aufarbeitung der vielen aufgeschobenen Probleme durch stetige
parteipolitische Auseinandersetzungen nicht gerade erleichtert. Jedoch
habe ich die Hoffnung auf einen gemeinsamen Schulterschluss nicht
verloren!
Sorgenkind ...
Es folgte die Vergabe einer erstmaligen Grundlagenermittlung, die sich mit
allen Problemen gleichzeitig auseinandersetzte. Das hatte und hat den
Vorteil, dass wir nun in der Lage sind, Prioritäten zu setzen. Endlich hat
sich die überfällige Einsicht durchgesetzt, dass die Theater-Werkstätten
das größte Sorgenkind sind und ohne funktionierende Werkstätten die
schönsten und gar sanierten Spielstätten nichts nützen. Deshalb kämpfe ich
dafür, dass noch in der laufenden Amtsperiode dieses inzwischen
dringlichste Problem angegangen wird – ich appelliere an alle
Stadträtinnen und Stadträte, sich mit mir gemeinsam für eine Sanierung
und/oder Erneuerung der Werkstätten einzusetzen, bevor es zu spät ist!
Eine erste Voraussetzung dafür ist die Einbringung von Planungsmitteln in
den Haushalt 2011, wohl wissend, wie schwierig die finanzielle Gesamtlage
ist. Doch die drittgrößte Stadt Bayerns mit ihrer zweitausendjährigen
Kulturgeschichte kann es sich meines Erachtens nicht leisten, den
Fortbestand des Drei-Sparten-Theaters zu riskieren!
Belastung ...
Zurück zur Grande Dame am Vorderen Lech: Wie zu erwarten war, erwiesen sich
die Verhandlungen zur Aufgabe der Komödie als überaus schwierig. Hinzu
kamen immer wieder Störfeuer von verschiedenen Seiten, auch im Hinblick
auf die Realisierung der Ersatzspielstätte. Hinsichtlich der
ursprünglichen Prognosen zur Dauer der Verhandlungen und zu der erwarteten
finanziellen Belastung für die Stadt wurde ein hervorragendes Ergebnis
erzielt. Es konnte ein Kompromiss ausgehandelt werden, der die Stadt
Augsburg von Rückbau-Verpflichtungen befreite, die viele Monate in
Anspruch genommen hätten. Gleichzeitig konnten die komplizierten
Grundstücksteilungen gelöst werden, da nämlich ein Teil der Hinterbühne im
städtischen Besitz war. Der Eigentümer des Gignoux-Hauses übernahm diesen
städtischen Teil, so dass komplexe, baulich und rechtlich bedingte
Auftrennungen nicht vorgenommen werden mussten. Schließlich wurde eine
Ausgleichszahlung an den Besitzer ausgehandelt, die weit unter den
ursprünglichen Schätzungen liegt. An ein für die Stadt Augsburg so
vorteilhaftes Ergebnis hätte ich zuvor nicht einmal zu denken gewagt!
Hinzu kam, dass das Hochbauamt von monatelanger Manpower für die
Abwicklung der aufwendigen Rückbauverpflichtungen entlastet werden
konnte.
Probleme ...
Fazit: Was viele nicht geglaubt haben, konnte erzielt werden. Gemessen an
der langen Zeitspanne vor 2008 haben wir in einem erstaunlich kurzen
Zeitraum die vielschichtigen Probleme um die Komödie gelöst. Es führte
aufgrund früherer Versäumnisse auch kein Weg mehr dran vorbei – die
Komödie wäre sonst von den Sicherheitsbehörden geschlossen worden.
Mit den sich daraus ergebenden schlimmen Folgen vor Augen habe ich schnell
gehandelt und mich auch nicht von den zahlreichen Querschüssen irritieren
lassen. Nur konsequentes Vorgehen ermöglichte es, diesen Erfolg zu
erzielen und gleichzeitig die Notwendigkeit einer zweiten (neuen)
Spielstätte herauszustellen – dazu später mehr. Ich bedanke mich bei
allen, die dazu beigetragen haben, dieses vielschichtige Feld erfolgreich
zu bestellen! Die Früchte werden wir in 2011 ernten können, worauf viele
schon ungeduldig warten. Manch einer muss sich aber schon fragen lassen,
warum seine Ungeduld nicht schon früher eingesetzt und zur Lösung der
vorgenannten Probleme geführt hat.
Letztes Wort ...
Da auch ich sentimental bin, soll jedoch das letzte Wort der alten Dame
gelten, die sehr vielen Menschen, auch mir, all die Jahrzehnte so schöne
Stunden ermöglicht hat! Danke, liebe Komödie, hoffentlich nimmt sich
endlich ein Gönner Deiner an, hoffentlich kannst Du wieder die Stellung in
der wunderbaren Altstadt einnehmen, die Du einst besessen hast – danke,
danke, danke und toi, toi, toi!
Fortsetzung folgt ... (Teil 2: Interimsspielstätte auf dem Theater-Parkplatz)
* Unsere ukrainische Putzfrau meint und weint: "Da bleibt sicher kein Augen trocken! Ein neuer Star am Augsburger Autoren-Himmel was born!"