Dienstag, 9. November 2010

Augsburgs Kultur-Grab schreibt packenden Thriller!


Bild: Das Theater Augsburg ist ein Patient. Das Foto stammt aus der aktuellen Aufführung Sonny Boys.

Hallo Augsburg! Ein neuer Datschi-Schreiber stellt sich in unserer Zeitung mit einem reisserischen Augsburg-Thriller exklusiv vor:


Die alte, dem Verfall preisgegebene Dame

Autor: Peter Grab


Jahre, viele Jahre vergingen, in denen man der Komödie im Gignoux-Haus im

idyllischen Augsburger Altstadtviertel hätte helfen können. Die maroden Zustände

waren ebenso bekannt wie die unzumutbaren Arbeitsbedingungen für die

Künstler und Mitarbeiter (z. B. unerträgliche Temperaturverhältnisse).

Jedoch mogelte man sich Spielzeit für Spielzeit irgendwie durch. Als

letzter Lichtblick bot sich der Erwerb des ehrwürdigen Hauses an, doch die

Stadtverantwortlichen winkten ab und nahmen gar die Gefahr einer

mittelfristigen Schließung des Hauses wegen unzureichender Brandschutz-

und Sicherheitsbedingungen in Kauf. Schließlich erklärte die zuständige

Sicherheitsbehörde, die vorhandenen Mängel so nicht länger hinnehmen zu

können – das Aus der Komödie schien besiegelt. Spätestens zu diesem

Zeitpunkt hätten die Modalitäten des Rückbaus bedacht werden müssen. Eine

letzte mehrjährige Mietverlängerung wurde 2006 verhandelt, ohne dabei

jedoch das Thema Rückbau zu berücksichtigen; dies trotz der hochkomplexen

rechtlichen Situation mit uralten Verträgen, vielfachen Ergänzungen und

Verlängerungen, etlichen Ein- und Umbauten. Dazu trat zum 1.1.2008 auch

noch eine neue, verschärfte Versammlungsstätten-Verordnung in Kraft – die

gebrechliche Dame ward gebrochen.


Da half kein Jammern ...


Am 2. Mai 2008 wurde ich zum Kulturbürgermeister gewählt und ging

selbstverständlich davon aus, dass das Haus bestellt sei aufgrund der

vorgenannten, den Verantwortlichen bekannten Tatsachen, oder man sich doch

zumindest entsprechend vorbereitet habe, z. B. mittels einer

Arbeitsgruppe. Folglich rechnete ich mit bestehenden Überlegungen zu einer

zweiten Spielstätte oder einem realistischen Sanierungskonzept. Nichts

dergleichen fand ich vor, obwohl der 2006 abgeschlossene Mietvertrag nur

eine Laufzeit von drei Jahren hatte und das Amt für Brand- und

Katastrophenschutz einer weiteren Verlängerung über 2009 hinaus nicht

zustimmen wollte. Da half kein Jammern oder Wehklagen, es musste sofort

gehandelt werden. Bald nach meinem Amtsantritt gründete ich die notwendige

Arbeitsgruppe. Als nach und nach auch bei der Freilichtbühne, den

Theater-Werkstätten und weiteren Gebäuden einschließlich des Großen Hauses

immer mehr ungelöste Probleme auftauchten, plädierte ich schließlich für

eine Grundlagenermittlung.


Schwierigkeiten ...


Parallel dazu bemühte ich mich unter schwierigen Rahmenbedingungen

wenigstens eine weitere Spielzeit in der Komödie auszuhandeln. Ich musste

Zeit gewinnen, um eine planvolle Vorgehensweise zur Rettung der Augsburger

Theaterlandschaft abzustimmen. Dies ist mir dann doch noch quasi in

letzter Minute gelungen, wenngleich unter Auflagen, die trotz der großen

damit verbundenen Schwierigkeiten erfüllt werden konnten. Leider wurde die

Aufarbeitung der vielen aufgeschobenen Probleme durch stetige

parteipolitische Auseinandersetzungen nicht gerade erleichtert. Jedoch

habe ich die Hoffnung auf einen gemeinsamen Schulterschluss nicht

verloren!


Sorgenkind ...


Es folgte die Vergabe einer erstmaligen Grundlagenermittlung, die sich mit

allen Problemen gleichzeitig auseinandersetzte. Das hatte und hat den

Vorteil, dass wir nun in der Lage sind, Prioritäten zu setzen. Endlich hat

sich die überfällige Einsicht durchgesetzt, dass die Theater-Werkstätten

das größte Sorgenkind sind und ohne funktionierende Werkstätten die

schönsten und gar sanierten Spielstätten nichts nützen. Deshalb kämpfe ich

dafür, dass noch in der laufenden Amtsperiode dieses inzwischen

dringlichste Problem angegangen wird – ich appelliere an alle

Stadträtinnen und Stadträte, sich mit mir gemeinsam für eine Sanierung

und/oder Erneuerung der Werkstätten einzusetzen, bevor es zu spät ist!

Eine erste Voraussetzung dafür ist die Einbringung von Planungsmitteln in

den Haushalt 2011, wohl wissend, wie schwierig die finanzielle Gesamtlage

ist. Doch die drittgrößte Stadt Bayerns mit ihrer zweitausendjährigen

Kulturgeschichte kann es sich meines Erachtens nicht leisten, den

Fortbestand des Drei-Sparten-Theaters zu riskieren!


Belastung ...

 

Zurück zur Grande Dame am Vorderen Lech: Wie zu erwarten war, erwiesen sich

die Verhandlungen zur Aufgabe der Komödie als überaus schwierig. Hinzu

kamen immer wieder Störfeuer von verschiedenen Seiten, auch im Hinblick

auf die Realisierung der Ersatzspielstätte. Hinsichtlich der

ursprünglichen Prognosen zur Dauer der Verhandlungen und zu der erwarteten

finanziellen Belastung für die Stadt wurde ein hervorragendes Ergebnis

erzielt. Es konnte ein Kompromiss ausgehandelt werden, der die Stadt

Augsburg von Rückbau-Verpflichtungen befreite, die viele Monate in

Anspruch genommen hätten. Gleichzeitig konnten die komplizierten

Grundstücksteilungen gelöst werden, da nämlich ein Teil der Hinterbühne im

städtischen Besitz war. Der Eigentümer des Gignoux-Hauses übernahm diesen

städtischen Teil, so dass komplexe, baulich und rechtlich bedingte

Auftrennungen nicht vorgenommen werden mussten. Schließlich wurde eine

Ausgleichszahlung an den Besitzer ausgehandelt, die weit unter den

ursprünglichen Schätzungen liegt. An ein für die Stadt Augsburg so

vorteilhaftes Ergebnis hätte ich zuvor nicht einmal zu denken gewagt!

Hinzu kam, dass das Hochbauamt von monatelanger Manpower für die

Abwicklung der aufwendigen Rückbauverpflichtungen entlastet werden

konnte.


Probleme ...

Fazit: Was viele nicht geglaubt haben, konnte erzielt werden. Gemessen an

der langen Zeitspanne vor 2008 haben wir in einem erstaunlich kurzen

Zeitraum die vielschichtigen Probleme um die Komödie gelöst. Es führte

aufgrund früherer Versäumnisse auch kein Weg mehr dran vorbei – die

Komödie wäre sonst von den Sicherheitsbehörden geschlossen worden.

Mit den sich daraus ergebenden schlimmen Folgen vor Augen habe ich schnell

gehandelt und mich auch nicht von den zahlreichen Querschüssen irritieren

lassen. Nur konsequentes Vorgehen ermöglichte es, diesen Erfolg zu

erzielen und gleichzeitig die Notwendigkeit einer zweiten (neuen)

Spielstätte herauszustellen – dazu später mehr. Ich bedanke mich bei

allen, die dazu beigetragen haben, dieses vielschichtige Feld erfolgreich

zu bestellen! Die Früchte werden wir in 2011 ernten können, worauf viele

schon ungeduldig warten. Manch einer muss sich aber schon fragen lassen,

warum seine Ungeduld nicht schon früher eingesetzt und zur Lösung der

vorgenannten Probleme geführt hat.


Letztes Wort ...

Da auch ich sentimental bin, soll jedoch das letzte Wort der alten Dame

gelten, die sehr vielen Menschen, auch mir, all die Jahrzehnte so schöne

Stunden ermöglicht hat! Danke, liebe Komödie, hoffentlich nimmt sich

endlich ein Gönner Deiner an, hoffentlich kannst Du wieder die Stellung in

der wunderbaren Altstadt einnehmen, die Du einst besessen hast – danke,

danke, danke und toi, toi, toi!

Fortsetzung folgt ... (Teil 2: Interimsspielstätte auf dem Theater-Parkplatz)

* Unsere ukrainische Putzfrau meint  und weint: "Da bleibt sicher kein Augen trocken! Ein neuer Star am Augsburger Autoren-Himmel was born!"

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