Samstag, 27. September 2025

Das Marabu-Drama von Pfersee

 

Der Marabu des Künstlers Hans Schülein saß vor einiger Zeit noch am Trinkwasserbrunnen der Hans-Spicherer-Schule im Augsburger Stadtteil Pfersee.

 
Es war einmal ein Marabu, nicht lebendig, sondern aus einem Material, das an einen sehr schlecht gealterten Marmor-Ersatz erinnerte. Er saß unerschütterlich auf dem Trinkwasserbrunnen der Spicherer-Grundschule im Augsburger Stadtteil  Pfersee, ein stiller Wächter des städtischen Hahnenwassers. Er war nicht der Augustusbrunnen, nicht der Herkules-Brunnen und auch nicht der Merkur-Brunnen. Aber für die Grundschüler war er der Brunnen, und sein steinerner Vogel war ein Symbol: Trinkwasser ist cool. Sie liebten diesen lustigen Vogel.



Die Marabu-Verschwörung



Doch dann: das Drama. Eines Montagmorgens war der Marabu auf dem Trinkwasserbrunnen in der Schule weg. Auch andere Tiere wie Pfau und Truthahn. Spurlos verschwunden. Nur ein feuchter Fleck auf dem Sandstein zeugte von ihrer einstigen, ornithologischen Präsenz. Ganz Pfersee war durch das Verschwinden des Marabus und seiner tierischen Freunde total geschockt. Die Gerüchteküche brodelte schneller als das Wasser der Wertach nebenan beim wildesten Hochwasser. Bei diesem akuten Notfall schaltete sich sogar die Bürgeraktion Pfersee "Schlössle" e.V. ein, die schon manchen verlorenen Handschuh in diesem Stadtteil gefunden hat.

Möglichkeit 1: Die „Grüne Welle“-Fraktion war's! Man munkelt, es waren die übereifrigen Umweltaktivisten. Der Marabu sei nicht regional genug. Ein Marabu aus dem subsaharischen Afrika an einem Augsburger Trinkwasserbrunnen? Das sei ein ökologischer Fußabdruck wie ein Dinosaurier! Eine kulturelle Aneignung der schlimmsten Sorte. Man habe ihn heimlich in eine Voliere für Spatzen umgesiedelt, um ein Zeichen gegen die globalisierte Brunnenästhetik zu setzen.

Möglichkeit 2: Ein Kunsträuber war's! Kunstraub im Stil der Renaissance. Vielleicht war es ein Kunstsammler, der erkannte, dass der Marabu in seiner erschreckenden Kitschigkeit ein Meisterwerk des Post-Post-Jugendstils war. Er wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entführt und ziert nun wahrscheinlich den Badeteich eines neureichen Start-Uppers im Augsburger Umland, wo er nun zwischen Mini-Gartenzwergen und einem aufblasbaren Flamingo thront. Man könnte ihn allerdings bald auf eBay finden, unter der Kategorie: "Seltenes deutsches Schul-Ornament, Zustand: gebraucht, Preis: verhandelbar (sehr hoch)". Neureiche sind schnell gelangweilt ...

Möglichkeit 3: Der Hausmeister war's! Die wahrscheinlichste Theorie, aber auch die traurigste. Der Hausmeister, Herr Bernd-Dietmar K. (Name der Redaktion bekannt), hatte die Nase voll. Jedes Jahr im Herbst musste er den Brunnen winterfest machen. Und jedes Mal fragte er sich: „Muss dieser verdammte Vogel mit in den Keller? Oder muss ich ihn mit dem Hochdruckreiniger vom Taubendreck befreien, der auf seinem Kopf sitzt wie ein unautorisierter Zweitwohnsitz?“ Herr K. hat kapituliert. Er hat den Marabu einfach in den Sperrmüll geworfen, in der festen Überzeugung, er tue der UNESCO einen Gefallen, indem er ein nicht-historisches Element entfernt.


Ein Appell an die Welterbe-Vernunft



Augsburg, du UNESCO-Wasserstadt! Du rühmst dich deines uralten, genialen Systems, deiner Prachtbrunnen, deines sauberen Wassers, das durch Jahrhunderte von Kanälen geflossen ist. Aber wo bleibt der Marabu und seine tierischen Freunde von Pfersee? Ist er nicht auch ein Teil deiner modernen Wassergeschichte? Ein Symbol dafür, dass reines Wasser auch in einem westlichen Stadtteil und an einer ganz normalen Schule ankommt?

Seine Rückkehr wäre ein Statement. Ein Zeichen, dass das UNESCO-Welterbe-Siegel nicht nur für Renaissance-Protzigkeit steht, sondern auch für den modernen, kitschigen Schulalltag.

Stell dir vor: Der Marabu kehrt zurück. Er wird mit einer feierlichen Zeremonie enthüllt. Die Kinder singen Lieder über die Wasserqualität. Und dann der Clou: Der Marabu wird wieder aufgestellt, aber mit einer neuen, kleinen Plakette am Sockel. Darauf steht: "Der Marabu von Pfersee. Weltkulturerbe der emotionalen Verzweiflung".

Wo ist dieser Truthahn aus Pfersee jetzt?

Wo ist dieser Pfau aus Pfersee jetzt?

Fotos: B. Jammerer
 

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