Auch Augsburger Allgemeine ist kein Ort der Glückseligkeit mehr
Dazu gehört Personalabbau
Die Zeit des Wachstums ist bei der "Augsburger
Allgemeine" Geschichte. Jetzt wird konsolidiert. Bevor der wirtschaftliche
Abschwung den Verlag mit voller Wucht treffen kann, planen die
Eigentümerfamilien Scherer und Holland die Zukunft des Verlages. Dazu gehört
Personalabbau in einer Höhe, wie es sie in dem Verlag des legendären Gründers
Curt Frenzel noch nie gegeben hat. Die Zeiten, als die bayrischen
Regionalzeitungsverlage Orte der Glückseligkeit waren, sind nach den
Geschehnissen in Nürnberg und jetzt Augsburg Geschichte.
Augsburg - Ellinor Holland hat noch die Armut und das Elend
des Zweiten Weltkrieges erlebt. Die Tochter von Curt Frenzel und Mutter von
Alexandra Holland und Ellinor Scherer rief schon 1965 die "Kartei der
Not" ins Leben, bettelte um Spenden für die Ärmsten und Bedürftigen der
Stadt. Bis zu ihrem Tod 2010 sammelte
sie über 30 Millionen Euro ein, die das Leserhilfswerk verteilen konnte. Unter
Ellinor Holland stand der Betrieb im Mittelpunkt, das Wohl und Wehe der
Mitarbeiter, der Gemeinschaft. Eine Frau mit Herz.
Niemand mag die nackten Zahlen
Wer mit Personen spricht, die mit der Entwicklung beim
"Pressedruck", so heißt das Medienhaus in Augsburg etwas sperrig,
vertraut sind, merkt schnell ihre Unsicherheit und Sorge um das
Traditionsblatt. Niemand mag die nackten Zahlen ignorieren, niemand mag die
Augen davor verschließen, dass der Verlag Auflagenverluste und was noch
schwerer wiegt massive Anzeigenrückgänge verzeichnet, die "richtig
schmerzen", so ein Verlags-Manager.
Von roten Zahlen ist die Mediengruppe Pressedruck aber weit
entfernt. Der Reingewinn war 2011 weiterhin zweistellig, einige sprechen von
18, andere sogar noch von 21 Prozent - und das bei einem Umsatz von rund 160
Millionen Euro. "Was jetzt passiert, ist eine Unternehmensumstrukturierung
ohne absoluten Zeitdruck", heißt es in Augsburg, alles soll möglichst
"sozialverträglich" erfolgen.
Familienfremder Manager
Dass etwas passieren würde, damit haben
Pressedruck-Mitarbeiter seit Monaten gerechnet. Zwei große Blätter im
Printmarkt hat die Mediengruppe, deren Geschäftsführung Andreas Scherer,
Ehemann der Hälfteerbin Ellinor, vorsitzt und die neben dem familienfremden
Manager Edgar Benkler die Herausgeberin Alexandra Holland komplettiert, in den
vergangenen Jahren an Land gezogen. Die Würzburger "Main-Post" gehört
seit Mai 2011 in Gänze zur Mediengruppe Pressedruck, die Mehrheit - 51 Prozent
- vom Konstanzer "Südkurier"
wird seit November 2011 ebenfalls von der Curt-Frenzel Straße 2 in Augsburg aus
kontrolliert.
Was jetzt passieren wird, darüber haben Geschäftsführung und
die lange Zeit nicht in die Pläne eingebundene AA-Chefredaktion um Walter
Roller am Abend des 18. Oktober bei einer Redaktionsversammlung im Foyer vom
Sender RT.1, das ebenfalls zur Mediengruppe Pressedruck gehört, berichtet.
Töpfe werden gekürzt! Zu wenig Volontäre?
Danach muss Walter Roller, der im vergangenen Jahr noch im
großen Stil seinen 60. Geburtstag mit seinen Autoren gefeiert hat, in den
Jahren 2013, 2014 und 2015 insgesamt 3,7 Millionen Euro in der Redaktion
einsparen. Besonders bitter - die Töpfe für freie Mitarbeiter werden um zehn
Prozent gekürzt.
Erste Folgen werden bereits deutlich - befristete Stellen
laufen aus, zwei Altersteilzeitstellen in Neu-Ulm werden nicht nachbesetzt,
obwohl einzig dort noch echte Konkurrenz herrscht. Bis Ende des Jahres werden
zehn Redakteure ausscheiden, weil ihre Verträge nicht verlängert werden.
Insgesamt sollen 37 Arbeitsplätze in Redaktion und Verlag wegfallen. In große
Sorge versetzt das Haus auch seine Redaktionsvolontäre, das Rückgrat jedes
Medienhauses für die Zukunft. Vom journalistischen Nachwuchs der Abschlussjahrgänge
2011 und 2012 sind nur vier Volontäre übernommen worden - und das im Verlag des
ersten Vorsitzenden des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger.
Keine offizielle Äußerung ...
In Sorge sind die Mitarbeiter auch um die publizistische
Unabhängigkeit des Blattes. Täglich um 14 Uhr sprechen sich bereits die
Desk-Chefs der drei Blätter "Augsburger Allgemeine" (verkaufte
Auflage: 220.340 Exemplare), "Südkurier" (verkaufte Auflage: 127.726
Exemplare) und "Main-Post" (verkaufte Auflage: 123.682 Exemplare) ab,
tauschen munter Artikel aus, auch die Beiträge der Korrespondenten in München
und Berlin.
Was mit der "Allgäuer Zeitung" (verkaufte Auflage:
102.064 Exemplare) funktioniert, die hälftig zur Mediengruppe Pressedruck
gehört und deren Mantel seit vielen Jahren aus Augsburg stammt, gehört zu den
konkreten Plänen, um Personal und Kosten einzusparen. "Für uns ist das
eine klare Option. Wer braucht heute noch drei komplette Mantelredaktionen in
einer Mediengruppe? Wir nicht", sagt ein Verlagsmanager in Augsburg zu NEWSROOM.
Offiziell wollte sich am Wochenende von Verlagsseite bislang
niemand zu den anstehenden Veränderungen bei der Mediengruppe Pressedruck
äußern.
Bülend Ürük
newsroom.de