Der Geheimbrief ans Gericht
von Dr. Florian Engert kam auf ungeklärtem Weg in unsere Hände. Will Rechtsanwalt Engert aus der Kanzlei Lux Augsburgs OB Dr. Kurt Gribl wirklich vors Gericht zerren? Warum? Ein Skandal? Geht es um die Gribl-Verleumdung? Was ist mit der unehelichen-Gribl-Kinder-Gerücht passiert? Nun muss man wahnsinnig viel lesen, damit man ein bisserl durchblickt:
"Gerügt wird die Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO:
Das Gericht hat seine Aufk lärungspflicht (§§ 155 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO) dadurch verl etzt, dass es von einer Beweiserhebung abgesehen hat, die sich nach Lage der Sache aufgedrängt hat und darüb er hin aus auch von Seiten der Verteid ig ung ang eregt bzw. bea ntragt worden ist.
a) Verfahrenstatsachen
Der Angeklagte hat sich in der Berufungshauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass das verfahrensgeg enständliche Gerücht, der Augsburg er Oberbürgermeister Kurt Gribl habe während des Wahlkampfes ein uneheliches Kind gezeugt, nicht von ihm aufgebracht worden, sondern dieses vielmehr schon während des Wahlkampfes bekannt gewesen sei. Dies es Gerücht habe er, als Gerücht gekennz eichn et, in der "Augsburg Skandal-Zeitung" lediglich wiedergegeben.
Die Weitergabe des Gerüchtes wurde vom Gericht als Üble Nachrede durch Verbreiten von Schriften gem äß §§ 186 Alt. 2, 194 StGB gewertet.
Das Gericht sah sich in diesem Zusammenhang nicht nur nicht dazu veranlasst, den Geschädigten förmlich als Zeugen zu vernehm en, sondern hat sich sogar ausdrückl ich dagegen ents chieden. Zur Begründung hierzu wurde ausgeführt, dass Gesichtspunkte des Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen waren und dem Angeklagten kein Forum geboten werden sollte, den Geschädigten weiterhin auf ehrenrührige Weise bloß zustellen.
Bild: Noch steht OB Gribls Homepage unter Schock. Wie lange noch? Wer steckt hinter dem technischen Malheur, das Augsburgs christlichsozialen Oberbürgermeister nach Meinung auswärtiger Politiker "bis auf die Knochen blamiert!" Wird Gribl deswegen bei der bayerischen CSU nicht hoch gehandelt?
Zudem wäre die Vernehmung des Geschädigten, die auf Preisgabe des Namens einer Sexualpartnerin des Geschädigten zu richten gewesen wäre, ein prozessual unzulässiger reiner Ausforschungsbeweis, solange Hinweise auf die tatsächliche Existenz eines aus der vom Geschädigten dem Grunde nach unstreitig im Wahlkampf aufgenommenen ehewidrigen Beziehung oder einem and eren einmaligen Sexualkontakt ("Seitens prung") fehlen (vgl. Seite 10 UA).
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Rubach, hat in seinem Plädoyer u.a. den Antrag gestellt, hilfsweise denjenigen als Zeug en zu hören, der sich als Geschäd igter fühlt (vgl. Seite 7 d. Protokolls/BI. 173 d. A.).
Das Gericht hat über diesen Antrag nicht förmlich entschieden. Wie aus dem Protokoll hervorgeht, wurde der Antrag weder zurückgewiesen, noch wurde dem Antrag nachgegangen.
b) rechtliche Würdigung.
Das Gericht hat Erm ittlungen unterlassen zu denen es sich auf Grund sein er Sachaufk lärungspflicht gedrängt sehen musste. Da das Gericht seine Entscheidung damit begründet hat, dass das Gerücht als solches bereits ehrenrührig sei, hätte es der Frage nachgehen müssen, ob es tatsächlich ein Gerücht im Sinne einer bloßen Behauptung ist, oder ob die Tatsache erweislich wahr ist.
Da die gebotene Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich war und nicht auszuschließen ist, dass bei durchgeführter Beweisaufnahme, mithin Einvernahme des Geschädigten, sich das Gerücht bestätigt hätte, mithin das Gericht zur Überzeugung gelangt wäre, dass der Geschädigte doch im Rahmen einer außerehelichen Beziehung ein Kind gezeugt hat, und somit das Urteil anders ausgefallen wäre, beruht das Urteil auch auf der unterlassenen Sacha ufk lärung.
2.
Gerügt wird die Verletzung des § 250 StPO:
a) Verfahrenstatsachen
Das Gericht hat seine Überzeugung, dass das vom Angeklagten weiter getragene Gerücht tatsächlich nur eine wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung ist und vom Geschädigten tatsächlich kein uneheliches Kind während des Wahlkampfes gezeugt wurde daraus gewonnen, dass der Geschädigte Anzeige erstattet, Strafantrag gestellt und im Rahmen der vorausgegangenen zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, mit der er erklärt, es entspreche nicht den Tatsachen, dass ein oder mehrere Kind er aus einer unehel ichen Beziehung existieren, da dies objektiv falsch und damit unwahr sei (vgl. Seite 9 UA). Die Eidesstattliche Versicherung des Geschädigten vom 21.01.2009 (BI. 133 d.A.) wurde in der Hauptverhandlung verlesen (vgl. Seite 4 d. Protokolls/BI. 170 d.A.).
b) rechtliche Würdigung
Das Gericht hat damit nicht nur gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 Satz 1 StPO, sondern sogar gegen das in § 250 Satz 2 StPO normierte Beweisverbot verstoßen. Danach dürfen Vernehmungen eines Zeugen nicht durch Verlesung schriftlicher Erklärungen ersetzt werden. Dies gilt auch für solche schriftliche Erklärungen, die zu Beweiszwecken verfasst worden sind.
Darüber hinaus ist die eidesstattliche Versicherung des Geschädigten, auf die das Gericht seine Entscheidung stützt, kein taugliches Beweismittel im Strengbeweisverfahren, wie es die StPO vorsieht, sondern lediglich ein Mittel zur Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO mit einem herabgesetzten Beweismaß bzw. -wert.
Bild: Was meint Susanne Gribl zur eidesstattlichen Versicherung ihres Mannes, dass von ihm keine Kinder aus nichtehelichen Beziehungen stammen? Sicherlich hätte sie diesen Beweis nicht benötigt, um hundertpro an die Charakterfestigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Treue ihres Mannes zu glauben, von dem sie sich leider trennte.
Selbst wenn man die eidesstattliche Versicherung des Geschädigten als Urkundsbeweis wertet, gilt nach wie vor der Vorrang des Personalbeweises, sowie der Grundsatz, dass die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht selbst zu erfolg en hat. Diese Grundsätze wurden im vorliegend en Verfahren verletzt.
Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler, weil nicht auszuschließen ist, dass der Geschädigte als Zeuge vor der Kammer und möglicherweise unter dem Eindruck eines eventuell bevorstehenden Eides die Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung revidiert hätte und dass damit auch das Gericht bei seiner Beweiswürdigung zu einem für den Angeklagten günstig eren Ergebnis gelangt wäre.
11. Sachrüge:
Der - wenngleich auch rechtsfehlerhaft - festgestellte Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahm e des Straf tatbestand es des § 186 StGB.
1.
Eignung zur Ehrverletzung:
Fraglich ist bereits, ob die Weitergabe des Gerüchtes durch den Angeklagten überhaupt als ehrenrührig anzusehen ist. Satistisch gesehen leben im Bundesdurchschnitt zwischenzeitlich 20 % aller Kinder in sog. Patchworkfamilien, die Zahl der unehelich geborenen Kinder beträgt mehr als 30 %. In Großstädten, zu den auch Augsburg zählt, liegen die Zahlen jeweils um etwa 10 %-Punkte höher.
Damit einhergehend hat sich auch eine soziale Akzeptanz nichtehel ich geb oren er Kind er in uns erer Ges ells chaft eing es teilt, die sich auch dadurch wiederspiegelt, dass die Begriffe unehelich und nichtehelich zumindest im BGB keine Verwendung mehr finden.
Wenngleich in den Urteilsg ründ en kurz anges prochen, jedoch nicht weiter ausgeführt, ist auch das Beispiel ein es hochrangigen bayerischen Landespolitikers aufzugreifen, der Landesvater geworden ist, obwohl er nicht nur gerüchteweise, sondern tatsächlich in einer außerehelichen Beziehung ein Kind gezeugt hat. Dies zeigt, dass selbst in christlich-konservativen Kreisen weder außerehelich geborene Kinder, noch deren Väter als bemäkelt betrachtet werden.
Das Gerücht, ein uneheliches Kind gezeugt zu haben, ist daher weder geeignet, jemanden verächtlich zu machen, noch ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
2,
Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB:
Wenngleich es hierauf nicht mehr anzukommen braucht, so würde die Strafbarkeit einer etwaigen Üblen Nachrede unter dem Aspekt der Wahrnehmung berechtigter Interessen ohnehin entfallen.
Das Gericht führt zwar aus, dass die Entscheidung im Spannungsfeld zwischen Kunst- und Pressefreiheit einerseits und dem Persönl ichkeitsrecht des Geschädigten andererseits stehe; es wird jedoch keine nachvollziehbare Abwägung vorgenommen.
Der Angeklagte hat das hier verfahrensgegenständliche Gerücht ausdrücklich als Gerücht gekennzeichnet und als solches weiter getragen, mithin keine eigene Tatsachenbehauptung aufgestellt. Die bloße Weitergabe des Gerüchts als Information ist, da der Angeklagte als Herausgeber der "Augsburger Skandal-Zeitung" tätig geworden ist, von der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG gedeckt.
Bild: Im Diskussionsforum der AZ aufgetaucht: hier lästert vielleicht Susanne Gribl gegen ihren Mann, oder wer ist diese Susanne, die mit dem Architekten Volker Schafitel über das schlechte Image von Augsburgs OB diskutiert?
Soweit der Angeklagte das Gerücht im Rahmen des Internet-Blogs mehrfach und mit entsprechender Akzentuierung und Poentierung wiedergibt, ist der veröffentlichte Bericht im lichte des Grundrechts auf Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu betrachten. Vor allem der bewusste Einsatz der Stilmittel der Repetitio und Hyperbel, d.h. die Wiederholung und Übertreibung, kennzeichnen den Artikel als Satire.
Dass die Augsburger Skandal-Zeitung auf dieser Ebene angesiedelt ist, geht auch aus dem als Anlage 1 zu Protokoll gegebenen Internetausdruck hervor, in dem es unter der Überschrift heißt: "Totalsatire: Die KrachZeitung ausm Irrenhaus. Mit völlig durchgeknallten Berichten über das Leben in und um Augsburg. Wer hier was glaubt, dem kann man nicht helfen [ ... ]." (vgl. BI. 176 d.A.).
Dem gegenüber wurde der Schutz des Privatlebens des Geschädigten gegenüber den grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechten des Angeklagten überbewertet, zumal auf Seiten des Geschädigten - wie oben bereits ausführlich dargestellt - der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden ist, um festzustellen, ob überhaupt Persönlichkeitsrechte verletzt sind.
Nach alledem kann das Urteil keinen Bestand haben.
Dr. Florian Engert Rechtsanwalt
P.S.: Wir vermuten, dieser Geheimbrief hat seinen Ursprung in dem Urteil des Augsburger Gerichts gegen Arno Loeb, der Augsburgs OB Dr. Kurt Gribl mit "übler Nachrede" geärgert haben soll.